Onlinerecherche und „Aufklärung 2.0“: Sozialgespräch mit Journalist Sebastian Meineck

Im Hintergrund Hände die auf einem Laptop tippen, im Vordergrund ein Portrait von Sebastian Meincke, ein Mikrofon Symbol, das sozial-pr Logo und der Titel der Podcastfolge und des Blogartikels

Onlinerecherche klingt irgendwie langweilig, schließlich können wir alle googlen, oder? Journalist Sebastian Meineck weiß, das mehr dahintersteckt. Denn die für Onlinerecheche notwendigen Skills sind nicht nur in Sachen Medienkompetenz, sondern auch für unsere Demokratie essenziell. Was das bedeutet und was die recherchierende Gesellschaft ist, beantwortet Sebastian im Sozialgespräch Podcast.

„Google kann ich, das Thema ist durch.“ Solche und ähnliche Reaktionen höre ich häufig, wenn ich das Thema Onlinerecherche anspreche. Meist erlaube ich mir den dezenten Hinweis, dass eine strukturierte Onlinerecherche ein klein wenig mehr ist als nur Suchbegriffe in die Suchmaschine der Wahl – ecosia ist meine Empfehlung 😉 – einzugeben.

Einer, der das viel besser erklären kann als ich, ist Sebastian Meineck. Sebastian ist Tech-Journalist, hat einen hervorragenden Newsletter – hier schonmal eine Abo Empfehlung – namens ORN – Der Online-Recherche Newsletter – und macht auch sonst richtig gute Inhalte. Einer seiner Artikel für das Vice-Magazin geht der Frage nach, ob es Smartphone-Sucht gibt und was die Datenlage dazu sagt. Ein Zitat aus diesem Artikel bringt für mich Sebastians Haltung zu Technik auf den Punkt:

Wer pauschal von Internetsucht spricht, meint auch möglicherweise ein anderes Problem. Dieses Problem liegt weniger im Suchtpotenzial der Technik, sondern mehr im Verhalten der Menschen, die Smartphones noch nicht stressfrei in ihrem Alltag integrieren können. … Viele Probleme mit Internet, Smartphone und Social Media lassen sich wohl nicht mit einer Suchttherapie lösen, sondern mit einem besseren Nutzungsverhalten.

Für mich zeigt sich hier: Sebastian schaut genauer hin, von einem Journalisten erwartbar aber leider längst nicht immer gegeben, und betrachtet die Mechanismen, menschlichen und sozialen Prinzipien und Wechselwirkungen, die heute untrennbar mit Technik verbunden sind.

Im Sozialgespräch Podcast teilt Sebastian nicht nur seine Erste Hilfe Tipps für die Onlinerecherche, sondern spricht auch über den etwas provokanten Begriff der „Aufklärung 2.0“ und das – für mich extrem spannende – Modell einer recherchierenden Gesellschaft.

Mehr zu Sebastian findest Du auf seinem Blog und auf Twitter. Seinen Newsletter habe ich Dir schon empfohlen (Link oben im Text) und den YouTube-Kanal, für den Sebastian aktuell arbeitet – So Many Tabs – findest Du hier. Den Twitter-kanal, den Sebastian im Podcast empfiehlt – findest unter dem Namen Quiztime hier.

Wie immer gilt: Wir freuen uns über Rückmeldungen, Fragen und Diskussionen. 

Dir viel Spaß mit dem Podcast und Dir, Sebastian, herzlichen Danke für Deine Zeit und Deine Geduld mit mir in Sachen Veröffentlichung.

Transkription des Sozialgespräch Podcasts mit Sebastian Meineck

Christian
Willkommen zu einem neuen Sozialgespräch Podcast. Bevor es losgeht, noch drei, vier Sätze kur zur Einordnung Die Folge die ihr gleich hört, habe ich mit Sebastian schon im Dezember 2020 aufgenommen. Vor Weihnachten habe ich sie nicht mehr online bekommen, 2021 ging dann echt turbulent und mit viel Arbeit los. Keine Beschwerde, nur eine Feststellung. Und das führte alles dazu, dass es erst jetzt online geht.

Sebastian, wenn du hier reinhörst: Dickes, dickes Sorry dafür und danke für deine Geduld und dein Verständnis. Euch lieben Zuhörerinnen und Zuhörern tut es aber keinen Abbruch, wie ich finde, denn das Thema Onlinerecherche und der sinnvolle Umgang mit Onlineinformation und Medienkompetenz ist irgendwie immer aktuell.

Wenn also die eine oder andere Referenz ein bisschen abgehangen klingt, liegt das einfach am Aufnahmedatum. Und das es so spät kommt liegt nicht an Sebastian sondern echt nur an mir. So, das war die Vorrede. Und jetzt ab in die Folge mit euch. Viel Spaß.

Wer ist Sebastian Meineck?

Christian
Hallo und herzlich willkommen zu einem neuen Sozialgespräch Podcast. Schön, dass ihr wieder dabei seid. Ihr habt im Intro wie immer gehört: Spannende Menschen, spannende Projekte, die viel mit gesellschaftlicher Veränderung und Entwicklung zu tun haben.

Heute habe ich einen ganz spannenden Gesprächspartner, der sich mit Themen beschäftigt, die auf den ersten Blick vielleicht nicht direkt ins Thema Social Impact reinpassen, auf den zweiten finde jedoch super relevant sind. Sind ganz herzlich willkommen. Sebastian Meineck.

Sebastian
Hallo, vielen Dank für die Einladung, Christian.

Christian
Danke das du zugesagt hast. Sebastian, Ich bin mir relativ sicher, ein Teil meiner Hörerinnen und Hörer kennt dich, unter anderem weil ich auch schon Sachen von dir geteilt habe in meinen Netzwerken. Ich bin mir aber auch sicher: Ein Teil kennt dich nicht. Stell dich doch bitte einmal ganz kurz vor. Wer bist du? Was machst du?

Sebastian
Na klar. Ich bin Journalist und habe mich spezialisiert auf das Thema Tech. Das bedeutet Technik, digitales Leben, digitale Gesellschaft, Netzpolitik. Seit 2015 beackere ich dieses Thema, zuerst für Spiegel Online, dann für Motherboard und Vice.

Inzwischen arbeite ich für einen YouTube-Kanal aus dem öffentlich-rechtlichen jungen Netzwerk Funk. Der heißt „So many Tabs“. Und da geht es natürlich auch um Tech und Digitalisierung.

Christian
Ja, und ich bin das allererste Mal nicht über YouTube sondern tatsächlich über deinen Newsletter auf dich aufmerksam geworden. Wo es um Onlinerecherche und Datenanalyse geht, den ich übrigens an der Stelle auch wärmstens empfehlen allen empfehlen kann. Link in den Shownotes und im Blogartikel zur Folge hier.

Datenanalyse und Onlinerecherche klingt im ersten Augenblick vielleicht ein wenig trocken für manche, da hat man nicht unbedingt sofort das Gefühl dafür: Was soll das? Was bringt das? Onlinerecherche klingt vor allem so: Das brauchen ja nur wirklich Journalisten.

Was ist Onlinerecherche?

Im Vorgespräch und davor in der Abstimmung per E-Mail hast du aber einen Begriff verwendet, den ich sehr passend finde und der deutlich macht, dass es viel mehr ist. Was ist mit Aufklärung 2.0 genannt? Nimm uns doch bitte mal ganz kurz mit: Was ist Onlinerecherche und warum ist es auch für die normalen Internetnutzer:innen relevant vielleicht?

Sebastian
Vielleicht wollen wir auf das Aufklärungszitat später ein bisschen näher eingehen. Es ist der zweite Gedanke vor dem ersten. Meine These ist: Rezeption und Recherche, was man häufig als einen Unterschied betrachten würde, nähert sich immer mehr an. Also wenn wir Medien rezipieren, dann ist das immer mehr auch ein Recherchevorgang als einfach nur Konsum.

Und je besser wir lernen zu recherchieren, desto eher können wir gut differenziert, aufgeklärt, kritisch rezipieren. Wollen wir das an ein paar Beispielen deutlich machen? Weil das erstmal sehr theoretisch war.

Christian
Genau das wäre jetzt die Frage gewesen.

Sebastian
Ja, also ich habe mir da einen ganz urigen Vergleich überlegt. Stellen wir uns mal vor, meine Oma und vielleicht auch die Omas von vielen Zuhörenden, was konsumieren die für Nachrichtenmedien? Also bei mir ist das so, das sind vor allem drei Sachen: Landesschau, Tagesschau, kommen auch noch direkt hintereinander, und regionale Tageszeitung. Ende der Geschichte. Keine ideologischen Gräben zwischen verschiedenen Tageszeitungen von taz bis FAZ, keine sozialen Medien, keine Gruppen in WhatsApp und so weiter.

Super überschaubar und auch sehr linear. Man schaut das einmal durch. Man ackert das einmal durch. Sogar die regionale Tageszeitung. Außer den Sportteil ackert man einmal durch und fertig ist der Lack. Da gibt es keine großen Einfallstore für Onlinepropaganda, Desinformation, Verschwörungsideologien sozusagen.

Das Medienangebot, das die meiste Medienkompetenz verlangt, ist vielleicht noch der Home-Shopping-Sender, der versucht, einem Produkt aufzuschwatzen. Und auch damit kommt Oma super klar.

Und jetzt eben das krasse Gegenbeispiel: Wir stellen uns eine Person vor, die ganz viel online ist. Ich zum Beispiel. Du wahrscheinlich auch. Da haben wir ja alle möglichen großen und kleinen Tageszeitungen und Nachrichten Blogs auf unseren verschiedenen Newsfeeds. Wir folgen vielleicht sogar nochmal Leuten, die in der Medienbranche arbeiten, mal mehr, mal weniger journalistisch.

Und dann wollen wir vielleicht nur eine Sache rausfinden. Wir haben vielleicht das Bedürfnis zu fragen: Smartphonesucht? Gibt’s das wirklich? Wie gefährlich ist das? Wir fangen an zu googlen. Und dann kommen da zig Artikel, die sich teilweise widersprechen und überlappen.

Und man muss das einordnen. Und schon sind wir, wo wir eigentlich nur eine ganz einfache Frage hatten, mittendrin in einer Recherche. Zusammengoogeln, gewichten, gegeneinander abwägen und so weiter.

Christian
Genau. Das heißt, Onlinerecherche ist ja eigentlich Teil des Alltags, wenn ich mich online bewege, also ich komme nicht dran vorbei. So im Grunde das, wenn ich dein Beispiel nehmen und stimmt ja auch. Jetzt könnte man sagen: „Ja, ist ja nett, aber das mache ich ja schon jeden Tag. Das kann ich ja. Also ich kann Google bedienen.“

So den Satz höre ich relativ oft, wenn ich dann darauf hinweise, dass wir uns vielleicht mit beschäftigen sollten, wie wir die Recherche angehen. Jetzt mal die Frage an dich: wenn ich Google bedienen kann, kann ich dann Onlinerecherche?

Sebastian
Jein. Also ich finde es wichtig, dass man das als einen Bereich sieht, also dass das keine binäre Frage ist von: Kann man, kann man nicht. Also ich sage ja sogar schon rezipieren in dieser modernen Medienwelt ist schon ein recherchierendes Verhalten.

Also gar nicht recherchieren können, sozusagen, gibt es in diesem Fall nicht. Selbst wenn man nur passiv oder scheinbar passiv sich seinen eigenen Newsfeed anschaut, dann ist man ja auch schon am Selektieren. Wir klicken ja nicht nacheinander jeden Beitrag in unserem Newsfeed an und gucken uns den genau durch. Also wir scrollen weiter, wir springen hin und her, wir wechseln die App, weil uns langweilig wird.

Das ist schon ein recherchierendes Verhalten meiner Meinung nach. Und insofern stimmt das auch nicht, was man so häufig hört in Technik pessimistischen Diskursen: Der Algorithmus nehme uns das Denken ab und so weiter. Also der Kopf ist der kommet uns da natürlich sehr entgegen in der Kuration, aber da wird noch selber ganz viel aktiv gemacht bei mir als rezipierender Person.

Aber natürlich gibt es immer noch Luft nach oben und man kann bewusster recherchieren, sinnvoller recherchieren, wenn man sich einige Skills drauf schafft. Und ich glaube, das ist das, was wir vielleicht auch gemeinsam ein bisschen vertiefen wollen. Was? Was sind das für Skills? Wo kommen die her? Was kann man da verlangen von den Menschen?

Christian
Genau das. Meine Frage wäre tatsächlich gewesen: Gib uns mal ein Bild davon, bevor wir zu den konkreten Skills kommen, wie ich die entwickeln kann, gib uns ein Bild davon, wiie sieht denn eine professionelle Onlinerecherche aus, wenn du und deine Kolleg:innen zum Beispiel sie jetzt angehen? Wie macht ihr das denn?

Sebastian
Ja, da muss man natürlich sagen: Wir sind Journalist:innen. Also wir recherchieren anders, als das vielleicht Menschen aus dem Bereich Strafverfolgung tun würden oder Menschen aus dem Bereich Recruiting, die Bewerber und Bewerberinnen untersuchen möchten.

Also journalistische Recherche ist natürlich getrieben von dem Gedanken: Wir wollen ein journalistisches Produkt erstellen, einen Artikel oder ein Video, wir haben eine These, die wir verifizieren oder falsifizieren wollen. Da unterscheiden wir stark nach seriösen und unseriösen Quellen. Wir wollen per zwei Quellen Prinzip möglichst Dinge verifizieren, anhand von zwei unabhängigen Quellen und so weiter.

Und das ist natürlich ein ganz anderes Rechercheverhalten als das, was jemand tut, der sich einfach nur gerade privat für etwas interessiert. Diese Person möchte dann für ihr eigenes Leben einfach schnell was rausfinden, was stimmt und funktioniert. Das sind natürlich verschiedene Vorsätze. Aber ich finde immer noch, beides ist ein recherchierendes Verhalten und man kann, auch wenn man einfach nur für sich und für sein Leben etwas recherchiert, etwas davon lernen, wie Profis recherchieren. Ja, das kann einem helfen, finde ich.

Christian
Definitiv. Also da steckte gerade auch einiges drin. Auch wenn du Recht hast, natürlich, das ist eine andere Zielsetzung, andere Intentionen, vielleicht auch am Ende des Tages. Also nur das eine will ein Produkt erstellen, das andere will „nur“ Klarheit finden, sag ich mal. Trotzdem steckten in deiner Antwort gerade einige Sachen drin: zwei Quellen-Prinzip, Überprüfung, einordnen, gewichten.

Lassen uns zu den Skills kommen. Wenn ich jetzt eine Onlinerecherche machen will, mein Lieblingsbeispiel ist da immer: Recherchier mal nach Krankheitssymptomen, spätestens nach der fünften Suche bist du irgendwie todkrank und überlebst den Monat nicht, so überspitzt formuliert.

Sebastian
Welche Skills brauche ich denn, aus deiner Sicht und Erfahrung, wenn ich mich jetzt online nicht nur konsumierend sondern vielleicht aktiv recherchieren will, also bewusst Fragen beantworten möchte, indem ich online mich umschaue.

Das ist eine sehr große Frage. Ich kann da nur Bausteine liefern. Das ist auch was, was ich mich systematisch noch gar nicht gefragt habe. Eine Sache, die ich super wichtig finde, ist einen persönlichen Bullshit Detektor zu entwickeln.

Das klingt irgendwie salopper und leichter als es vielleicht ist. Dazu gehört zu unterscheiden, was sind seriöse Nachrichtenmedien und was nicht. Dazu gehört auch zu unterscheiden innerhalb von seriösen Nachrichtenmedien. Was ist nur eine kurze Nachrichtenmeldungen? Was ist ein schnelles Service-Stück, das man nur geschrieben hat, um viel Traffic auf die Seite zu bekommen? Was ist die vertiefende Analyse?

Wie komme ich von einem vielleicht journalistischen Nachrichten-Stück zur Primärquelle, wo ich noch mehr Infos finde? Das erfordert viel Übung und Fingerspitzengefühl und auch da kommen wir zu einem interessanten Punkt.

Denn das klingt schon sehr nach einer Anforderung an die Person, die gerade was über sich rausfinden will. Ich finde, bei diesem Thema müssen alle mitmachen, auch die Leute, die Artikel schreiben und Info-Websites erstellen. Das muss auch ein Entgegenkommen sein. Man kann nicht immer nur mehr Medien- und Recherchekompetenz von Menschen verlangen. Da müssen alle irgendwie mitmachen, um ein bestmögliches Ergebnis zu erzielen.

Christian
Das lag mir tatsächlich auf der Zunge, weil ich kenne einige Online-Medien, die zwar dann über Studien berichten, die Studie zu Beispiel aber nicht verlinken. Das kann ich im Print noch verstehen, aber online ist es irgendwie schwer nachvollziehbar, dass ich keinen Link finde, den ich klicken kann.

Es wäre so schon einfacher, die Quelle dann zu finden oder halt auch deutlich zu machen, wenn in einem Interview etwas behauptet wird, ist diese Behauptung von Fakten untermauert oder nicht oder bleibt sie da einfach stehen? Und ich muss mir selber meinen Faktencheck zusammensuchen? Das gibt’s ja durchaus.

Was bedeutet Aufklärung 2.0?

Du hast vorher gemeint, wir kommen zu diesem Aufklärung 2.0 Begriff zurück. Das würde ich jetzt langsam gerne tun, weil das eine sind die Skills, klar ich brauche einen Bullshit Detektor und -Radar irgendwo. Ich muss vielleicht auch mir mal angewöhnen zu kucken, wie erkenne ich auch online Primärquellen.

Und auch wenn jemand nicht schreibt, dass er abgeschrieben hat, wie finde ich das vielleicht raus? Also woran erkenne ich das? Das sind Sachen, die brauchen Übung. Ja du hast auch ein sehr großes Online-Board wurde aber Tools zur Recherche und Co. drin hast und ein paar Artikel. Ich hab mich da umgeschaut, da gibt es schon auch Werkzeuge bis zu einem gewissen Grad, die man nutzen kann.

Ein bisschen auf die Meta-Ebene: Warum sollte ich mich damit beschäftigen? Also warum sollte es mir nicht reichen zu sage: Ich hab meine Lieblings Online-Journalisten, denen glaube ich das jetzt einfach und gut ist die Geschichte. Und wenn die mal falsch liegen werden sie es mir schon kommunizieren. Also warum sind das Skills und Themen, mit denen ich mich als normalen Nutzer oder Nutzerin vielleicht überhaupt beschäftigen sollte?

Sebastian
Das wird jetzt ein ruckartiger Zoom auf die auf die ganz große Ebene, meine Antwort. Meine These ist: Onlinerecherche ist Ermächtigung durch Information. Und warum brauche ich das? Also warum muss ich mich jetzt durch Informationen ermächtigen? Naja, das ist die Grundlage für die demokratische Willensbildung.

Das klingt jetzt sehr hochtrabend. Aber ganz konkret gesagt: Da draußen sind Menschen, die versuchen, uns als wählende, als politisch denkende Menschen in die Irre zu führen. Durch Verschwörungserzählungen, durch Populismus, manchmal auch einfach nur durch zugespitzte Wahlkampfaussagen.

Also das ist das das gesamte Spektrum und wir wollen denen glaube ich jetzt einfach mal nicht einfach so auf den Leim gehen. Ich glaube, niemand möchte hinters Licht geführt werden. Und damit uns das nicht passiert, damit wir informierte Entscheidungen treffen, damit wir wirklich eine Wahlentscheidung treffen, die ein Ergebnis hat, das dem nahe kommt, was uns vorher versprochen wurde, als Menschen, die in einer Demokratie leben, dafür brauchen wir Informationen.

Und es funktioniert halt leider nicht so, dass die uns einfach irgendwie für 2,90 Euro auf Papier nach Hause geliefert werden, wie das vielleicht in der Großelterngeneration noch einigermaßen funktioniert hat. Wir müssen da selber viel aktiver recherchierender vorgehen.

Christian
Dazu ergänzend vielleicht: Wir nehmen das jetzt Ende 2020 auf, wenn er rauskommt 2021, wir haben nächstes Jahr Bundestagswahl, Superwahljahr mit Landeswahlen und ähnlichem. Da könnte man sagen: „Ja gut, betrifft mich alle vier Jahre, vielleicht alle zwei Jahre, ist jetzt nicht unbedingt für mich ausschlaggebend.“

Da würde ich ganz kurz einhaken wollen: liebe Zuhörerinnen und Zuhörer, wenn lokal gewählt wird, wir hatten jetzt vor kurzem hier bei uns Bürgermeisterwahl, das betrifft meinen Alltag und mein Leben schon ziemlich direkt, welche Entscheidungen da getroffen werden und da ist es schon wichtig, informiert Entscheidungen treffen zu können.

Lass uns trotzdem noch einen Schritt tiefer in diese Aufklärung 2.0 reingehen. Wir haben dieses Jahr glaube ich sowohl den USA als auch in Deutschland erlebt, dass Verschwörungstheorien und ich nenne es mal Misinformationen, Fake News will ich noch nicht als Begriff nutzen, kommt vielleicht später, einen gewissen Run und einen gewissen Aufstieg erlebt habe.

Ich würde nicht behaupten, die waren noch nie da, aber sie wurden dieses Jahr schon sehr laut und sehr sichtbar. Ich glaube, jeder von uns hat auch erlebt oder viele von uns leider haben auch erlebt, dass im Freundes- und Familienkreis online Leute das geglaubt haben. Lass uns mal einen ganz kleinen Schritt praktisch werden: Aufklärung 2.0. Ich lese jetzt einen Artikel, der im ersten Augenblick gegen alles läuft, was ich persönlich als Überzeugung habe, wo ich glaube, das kann gar nicht stimmen.

Also mein Bauchgefühl sagt: Auf gar keinen Fall. Wie kann ich denn potenziell vorgehen, wenn ich das jetzt wissen möchte, ob mein Bauchgefühl falsch liegt oder ob das Ding faktenbasiert ist potenziell?

Sebastian
Also wenn ich mal so ein kleines Best of Erste Hilfe zusammenstellen würde, würde mir als erstes einfallen: Erstmal gucken, was ist das für ein Publisher? Was ist das für eine Website? Wer steckt dahinter? Kann man auf Wikipedia z.B. nachgucken? Manche soziale Medien haben sogar schon kleine Disclaimer dahinter stehen.

Also YouTube schreibt z.B. bei RT Deutsch dazu „Hey Moment, das kommt von der russischen Regierung und so weiter. Das zweite ist einfach die wichtigen Stichworte zu dem Thema, was auch immer da gerade drin gesteckt hat. Zum Beispiel Smartphonesucht, macht krank oder so, einfach nochmal diese Stichworte suchen und da gezielt auf die Sachen achten, die man schon für sich als seriöse Quellen identifiziert hat, sei es Spiegel, Süddeutsche, Zeitung usw. Oder dass man da mal reinschaut. Was gibt’s denn dazu zu lesen?

Und was man natürlich auch mal machen kann, wenn das alles irgendwie nicht hilft, sich anzuschauen: Was gibt’s denn noch so auf dieser Website, auf der man das gefunden hat? Sind das nur besonders emotionalisierende krasse Sache? Kommen dann irgendwann plötzlich die Aliens und die gefakte Mondlandung zur Sprache usw.? Sich einfach ein Gefühl dafür verschaffen, welche Interessen stehen da vielleicht dahinter?

Christian
Also was hat die Person und die Publikation auch davon, sowas zu veröffentlichen? Wie profitiert sie vielleicht auch davon, was sie da gerade als Agenda oder als Thema fährt? Frage dazu noch: Jetzt hab ich mich umgeschaut und ich finde wie so oft widersprüchliche Quellen. Ich finde die Quellen, die mir sagen „Ja, das stimmt absolut“ ich finde natürlich auch Quellen, die dem komplett widersprechen.

Du hast vor was von Primärquelle gesagt. Wie genau kann ich für mich denn halbwegs falsifizieren oder verifizieren, dass eine Quelle tatsächlich auch eine Primärquelle ist und nicht auch abgeschrieben hat, ohne das aber zu sagen möglicherweise, soll ja vorkommen?

Sebastian
Das hängt halt voll vom Thema ab. Also werden wir vielleicht mal bei etwas Konkreterem bleiben, denn da kann man ein besseres Beispiel dran ziehen. Ich habe jetzt immer mal das Thema Smartphonesucht, die es übrigens nicht gibt, liebe Zuhörende in dieser Form, hervorgeholt.

Da weiß ich nun: Ah okay, es geht um Medizin, es geht um Krankheiten. Das heißt, es gibt Verbände und Organisationen, die sich gezielt mit sowas auseinandersetzen.

Es gibt eine Klassifikation von existierenden Krankheiten. Es gibt Anlaufstellen für Betroffene. Es gibt Informationsangebote aus dem Bereich Gesundheit und Aufklärung. Also da kann man sich dann gezielt informieren. Manchmal gibt’s sogar Hotlines, wo man anrufen kann. Und eine dieser Faustregeln, die wir an der journalistischen Schule gelernt haben, war wirklich: Für jedes noch so wichtige Thema gibt es irgendeine Behörde oder irgendeinen Verein oder Interessenverband. Natürlich heißt das nicht, dass ein interessensverband sofort unbiased sind, im Gegenteil.

Da muss man natürlich auch super aufpassen. Aber man findet für alles irgendeine Person, die das aus irgendeinem Grund Vollzeit macht und sich dort mega reingefuchst hat. Und was ich auch aus journalistischer Erfahrung sagen kann: Viele Menschen freuen sich total, wenn man sich bei ihnen meldet. Und ich bin mir sicher, dass lag nicht nur immer daran, dass ich Journalist bin. Also ich glaube auch wenn man sich, gerade wenn man nur privat zu einem Thema forscht oder recherchiert und das jetzt nicht irgendwie, dann plötzlich danach auf der nachrichtlichen Seite in einen Artikel gießt:

Ein aufrichtiges Interesse an einem Thema und dann ruft man einen Experten, eine Expertin an das kann zu einem super fruchtbaren, angenehmen Gespräch führen. Würde ich nicht unterschätzen, dass man sich da wirklich auch mal trauen kann, selber wirklich in die Recherche zu gehen und da mal anzurufen.

Christian
Ja, also es ist auch meine Erfahrung. Kann ich nur unterstützen. Gerade viele, auch NGOs, die so was zum Teil Spenden finanziert machen und sich dem Thema verschrieben haben, sind total angetan davon, wenn endlich mal jemand ihre Expertise abfragt und ihre Erfahrung und sie nicht nur zitiert werden aus irgendwelchen Texten, sondern man vorher auch mit ihnen spricht. Vielleicht wenn man Interesse hat. Die Erfahrung hab ich auch schon oft gemacht, dass Menschen dann sehr begeistert sind, wenn man sie anruft oder anschreibt auf einmal.

Sebastian
Eine Sache sind wir noch ein bisschen den Zuhörenden schuldig geblieben, weil die haben jetzt immer so Aufklärung 2.0 gedroppt. Das war ja auch so ein zugespitzter Einwurf von mir gewesen, dem man, glaube ich, nicht ganz unkommentiert dort stehen lassen kann. Das ist natürlich immer auch so ein rhetorischer Trick, hinter irgendwie so ein bekanntes Wort 2.0 zu packen. Ich hatte auch so einen Remix von einem berühmten Kant Zitat gedacht. Das ist schon bisschen auch probeweise gewesen.

Ich stehe da nicht zu 100 Prozent dahinter, aber ich glaube, es kann etwas Spannendes erhellen. Also Immanuel Kant, der übrigens auch extrem rassistische Texte geschrieben. Der hat ja gesagt: Hier Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit.

Und wenn man nun sagt hier Aufklärung 2.0, dann können wir mal konstatieren hier Onlinerecherche ist der Ausgang des Users aus seiner Unmündigkeit. In diesem Remix habe ich das Wort selbstverschuldet schonmal rausgelassen, weil ich das sehr irreführend finde in diesem Zusammenhang, Schuld klingt irgendwie so nach Gericht oder sogar nach Religion und so und darum gehts gerade gar nicht.

Und ich glaube Onlinerecherche als Ausgang aus Unmündigkeit ist auch eine Aufgabe von allen. Also nicht nur von dem User. Der sollte sich dann irgendwie dumm fühlt und denkt na toll, jetzt muss ich auch noch die Google Operatoren lernen, um nicht unmündig zu sein. Das betrifft alle. Trotzdem glaube ich, da ist was dran, denn die Medienöffentlichkeit und das Medienangebot ändert sich so rasant und unsere althergebrachten Medienkompetenzen kommen da überhaupt nicht nach.

Die Lehrer:innen an der Schule kommen aus einer anderen Medien Generation als die Kinder, die jetzt sich für das neue Leben vorbereiten müssen und so weiter. Das heißt, ich glaube durch aus trotz dieser Einschränkung, die ich jetzt gemacht habe: so eine Art Aufklärung 2.0 brauchen wir dringend.

Christian
Genau da bin ich bei dir, du bist jetzt gerade meiner Frage zuvorgekommen, tatsächlich, weil ich hätte noch einen Tick provokanter gefragt. Denn du hast ja aus Unmündigkeit auch drinstehen, wenn auch nicht selbstverschuldet.

Diese Formulierung ist mir die Tage sogar schon begegnet im Netz. Aber auf einer Seite, die glaube ich noch nicht viel mit denen zu tun hat, was wir beide diskutieren. Denn diese Formulierung ist mir auf einer Querdenker Seite tatsächlich begegnet. Dass das praktisch jetzt ihre Ermächtigung ist, und ihre Möglichkeit, sich die „richtigen realen Informationen“ zugänglich zu machen, damit sie endlich mal aufwachen können und Leute aufwecken können.

Christian
Will damit sagen: Ich bin komplett bei dir. Nur diese Formulierung und Sichtweise kann man natürlich auch komplett rumdrehen und sagen grundsätzlich, diese Informationen, die wir so bestätigt finden von offizieller Seite, sind ja genau das Problem. Die sind ja gar nicht real. Wir sind die einzigen, die aufgewacht sind. Also im Grunde lässt sich hier die Argumentation ja auch ins Gegenteil verkehren, wenn man das entsprechende Weltbild halt hat.

Wie können wir denn da möglicherweise auch was entgegensetzen, weil in sich, das muss ich dir nicht erklären, sind solche Argumentationen ja immer sehr schlüssig, die Basis auf der sie stehen ist eine andere Diskussion. Aber in sich sind die ja immer schlüssig, solche Argumentationen mit „wir sind jetzt die, die aus unserer Unmündigkeit ausbrechen und wissen, die einzigen, die die Wahrheit kennen.“ Oder?

Sebastian
Das ist ein unheimlich faszinierendes Thema. Ich habe da auch viel drüber nachgedacht, weil Verschwörungsideologien sich ganz viele Vokabeln aneignen, die eigentlich zu der anderen Seite gehören. Also auch Verschwörungsideologien recherchieren total viel und stellen Quellen zusammen und ziehen Querverbindungen und so weiter und sprechen auch von Aufklärung.

Das heißt, alle Vokabeln, die man eigentlich aus einer Gegenargumentation gegen Verschwörungsideologien hätte, ziehen die zu sich und deuten sie für sich um. Und das ist unfassbar krass und ich weiß noch nicht genau, wie man dem richtig nachkommen kann. Ich glaube aber immer noch und das betrifft jetzt alle, die noch nicht ein ideologisch geschlossenes Weltbild aus dem Bereich Verschwörungsideologien haben. Ich glaube immer noch, dass solche Menschen durch Onlinerecherche Skills eine Abwehrkraft entwickeln können, gegen einen Rutsch in Verschwörungserzählungen

Wer schon komplett davon überzeugt ist, ist dort vielleicht nicht einfach wieder rauszubringen, indem man sagt: Hier lernst du wieder anders googlest. Denn da denken diese Menschen schon sofort, wenn sie irgendwie nur Spiegel oder klassisches traditionelles Nachrichten Medium sehen, „haha, das ist ja die Gegenseite.“ Aber Menschen, die noch schwanken, die einfach nur unsicher sind, die sich nicht auf einem festen Boden fühlen, die können glaube ich durch Onlinerecherche-Skills als Abwehrkraft ermächtigt werden, nicht in so etwas rein zu rutschen.

Es gibt ja dieses super bekannte Zitat von Bernhard Pörksen auch deshalb bekannt, weil er es immer wieder anbringt, wenn er interviewt wird, von der redaktionellen Gesellschaft. Ein Zitat, bei dem ich nicht hundertprozentig mitgehen würde, aber den Grundgedanken dahinter schon befürworte. Ich weiß nicht, ob wir darauf genauer eingehen wollen.

Christian
Ja da hätte ich jetzt genau nachgefragt, weil die redaktionelle Gesellschaft, die Bernhard Pörksen immer wieder anbringt, klingt erstmal – für mich zumindest – nach einem nachvollziehbaren Konzept irgendwo. Aber wie so oft ist es so: Wenn etwas sofort auf den ersten Blick einleuchtend klingt, ist es in der Regel auf den zweiten Blick dann doch ein bisschen zu hinterfragen.

Meine Frage an dich Wo genau siehst du potenziell ein Problem mit diesem Modell oder der Idee der redaktionellen Gesellschaft, die ja auf den ersten Blick, zumindest für mich, ziemlich überzeugend klingt?

Sebastian
Ich finde den Ansatz auch total positiv. Aber schauen wir uns mal näher an, was das eigentlich bedeuten würde. Ich habe mir da ein kleines Essay von Pörksen rausgesucht, das in ein zwei Worten etwas näher beschreibt. Er sagt: „In einer redaktionellen Gesellschaft sind die Normen und Prinzipien eines ideal gedachten Journalismus zum selbstverständlichen Bestandteil der Allgemeinbildung geworden und journalistische Werte seien das Wertegerüst des öffentlichen Sprechens.“ Ich glaube, das muss man ein bisschen auseinanderklamüsern. Auch das klingt ja erstmal feierlich und nobel.

Und da denkt man sich: Ach ja, wie schön das doch wäre. Ich stelle das so ein bisschen in Frage. Ich finde es richtig und wichtig, dass nicht alle Journalist:innen sind. Denn zum Journalismus gehören Dinge, die sich überhaupt nicht mit dem normalen Alltag von Menschen vereinbaren lassen, die einem anderen Hauptberuf nachgehen. Sorgfalt ist in einem ganz großen Ausmaß Anrufung aller Beteiligten. Das kann man von Menschen gar nicht verlangen, die einfach auch Zeit für andere Dinge aufwenden müssen.

Zum Journalismus gehört Vier-Augen-Prinzip vor der Veröffentlichung, kritische enge Zusammenarbeit in einem Team, das kann man auch nicht von allen verlangen. Journalist:innen haben die Pflicht, Dinge nicht zu unterschlagen, bei denen öffentliches Interesse überwiegt. Journalistinnen haben besondere Rechte und Pflichten. Man kann bei Presseanfragen Auskunft verlangen. Man kann Quellenschutz beanspruchen, wenn man irgendwie vor Gericht stünde.

Und auf all diese Rechte und Pflichten kann auch nicht auf die gesamte Bevölkerung ausweiten. Also ich glaube, dass das funktioniert so nicht in dieser Zuspitzung. Wo ich aber mitgehen würde, wäre zu sagen recherchierende Gesellschaft. Denn Recherche ist nur ein Teil, ein Baustein der journalistischen Arbeit. Und in abgewandelter Form halte ich Recherchieren für eine Kompetenz, die wirklich jeder und jede braucht.

Christian
Da würde ich jetzt fast Watzlawick umbauen, nach dem Motto „Man kann nicht nicht recherchieren“ so, das klingt zumindest so ein bisschen in die Richtung. Du meintest ja vorher auch, selbst wenn du nur nur passiv, scheinbar passiv, konsumierst, ein gewisser Prozess der Recherche und Einordnung findet ja trotzdem statt. Also spätestens in deinem Kopf fängst du ja an Dinge zu verorten, in deinem Konstrukt.

FInde ich ganz spannend, tatsächlich gehe ich zum großen Teil tatsächlich mit, finde ich aber sehr sehr spannend für mich selber, weil an einige Punkte hatte ich noch gar nicht gedacht tatsächlich, finde ich hochinteressant zu hinterfragen.

Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer, die Frage an euch: Also a) kanntet ihr das Modell der redaktionellen Gesellschaft überhaupt? Und b) was haltet ihr denn davon? Sagt uns in den Kommentaren Bescheid. Ich bin sehr gespannt und würde mich über Diskussion freuen.

Ich gucke ein bisschen auf die Uhr. Ich hatte gesagt nicht länger als 40 Minuten. Wir nähern uns den 30 Minuten und ich habe noch ein Thema auf der Liste stehen, das mir sehr wichtig ist, mit dir zu besprechen, Sebastian

Wir haben jetzt nämlich über Onlinerecherche gesprochen, das halte ich für extrem wichtig. Du hast aber noch einen zweiten Teil, ein zweites Thema, das mir sehr, sehr wichtig ist. Jetzt vor meinem Hintergrund der Wohlfahrt und der sozialen Themen. Weil ich glaube, dass wir da unglaublichen Nachholbedarf haben. Und zwar das Thema Datenanalyse.

Was ist Datenanalyse?

Ich führe es kurz ein bisschen länger ein. Wohlfahrt, Social Entrepreneurship und wie sie alle heißen, auch NGO, also zivilgesellschaftliche Player, reden inzwischen immer mehr über das Thema Big Data Datennutzung KI, ich mein Buzzwords kann man sich raussuchen, da gibt’s viele von gerade. Mit dem Effekt, dass wir auch aufgrund von Vorgaben von Kostenträgern eine Menge Daten sammeln einfach und Daten an sich nicht das Thema sind.

Also es gibt Daten zu allem, was wir an Themen haben, was für uns relevant ist. Aber das ist mein Eindruck: wir nutzen die überhaupt nicht, die liegen komplett ungenutzt rum. Niemand macht wirklich etwas damit. Manche Entscheidungen und Fragen werden immer noch so nach, ich nenne es mal episodischen Erfahrungen tatsächlich beurteilt und nicht strukturiert.

Und so aus deinen Vorabbemerkung hatte ich den Eindruck, dass Datenanalyse genau in diese Richtung geht. Du hast es hier genannt „latentes vs. manifestes Wissen“, was ich finde, passt da sehr sehr gut. Lass uns mal ganz basic anfangen. Was verbirgt sich hinter diesem Begriff Datenanalyse? Klopfe ich Zahlen in Excel Spreadsheet, was ist Datenanalyse konkret?

Sebastian
Also Datenanalyst:innen hätten da natürlich eine andere Antwort als ich, denn die können irgendwie mit Statistikrrogramm jonglieren und können mit wirklich großen Daten hantieren. Das kann ich nicht. Ich sage jetzt mal noch nicht, weil ich das gerne besser lernen würde und so weiter. Deshalb fange ich mal noch weiter basic an. Einfach auch das Sammeln und Auffinden von zusammenhängenden Daten finde ich unheimlich wichtig und gewinnbringend.

Auch für eine demokratische Gesellschaft, auch für den Journalismus selber. Denn es gibt manche Dinge, die sind theoretisch schon voll vorhanden als Information. Die lassen sich online finden, in Datenbanken finden, in behördlichen Veröffentlichungen finden, deshalb latent, aber es hat sie einfach noch keiner hervorgeholt.

Sie sind noch nicht zu manifestem Wissen geworden. Und ich glaube, wir alle stehen da sozusagen auf einem Hügel, wo ganz viele Dinge drin begraben sind, vielleicht sogar direkt unter unseren Füßen, und wir haben sie noch gar nicht gefunden. Also jetzt vielleicht mal ein ganz konkretes Beispiel, was auch super einfach ist und eine Recherche, die theoretisch jeder und jede hätte machen können.

Das hatten wir für das Vice Magazin gemacht, Anfang 2019 oder 2020, wir hatten uns angeschaut auf Telegram, dem alternativen WhatsApp Messenger, wenn man so will, wo es auch Channels und Gruppen gibt. Wie steht es denn da eigentlich mit indizierter rechtsextremer Musik, die darf nicht veröffentlicht werden in Deutschland, ist strafbar.

Telegram wird nicht so kontrolliert. Wir haben uns einfach nur eine Liste von den Namen von Bands herangezogen, die eben indizierte Musik und indizierte Alben haben und haben ganz plump diese Namen in die Telegram Suche eingegeben.

Und plötzlich haben wir herausgefunden: Es gibt da doch eine recht beträchtliche Zahl öffentlich verfügbarer Musiken aus dieser Richtung. Das hätte jede Person machen können. Das hätte man vor fünf Jahren vielleicht schon machen können oder auch in fünf Jahren. Aber es hatte keiner gemacht. Wir haben es zu diesem Zeitpunkt gemacht und es war dann einfach eine Nachrichtenmeldungen an sich und hat auch für zumindest ein kleines bisschen Welle gesorgt.

Der Deutschlandfunk hatte das Thema nochmal gecovert. Und ich finde, das ist deshalb ein gutes Beispiel für latentes und manifestes Wissen, weil es eigentlich nicht total kompliziert ist und wir es trotzdem mit einem eindeutig mit einem eindeutigen Problem, hinter dem auch Strafbarkeit usw. steht, zu tun haben.

Christian
Ja, also das ist ein sehr, sehr schönes Beispiel. Ich persönlich nehme jetzt gerade Wohlfahrtsbackground immer dieses schöne Beispiel, wo es dann heißt: Über uns wird gar nicht gesprochen, die Politik tut zu wenig. Wo ich dann meine, na ja, der Bundestag stellt Entscheidungen und Protokolle und Co. von öffentlichen Sitzungen mehr oder weniger online wir müssen uns nur Dokumente ziehen und die einmal durchsuchen lassen.

Dann können wir zumindest schon mal gucken, ob Themen wie oft sie aufgetreten sind. Dann können wir untermauern diese Behauptung oder stellen fest, dass unser Eindruck vielleicht doch gar nicht so stimmt und es viel häufiger Thema war, als wir möglicherweise dachten. Aber die da dafür, um das zu verifizieren oder zu widerlegen, wären halt da und da wirklich mal zu gucken, wie entwickelt sich das auch über die Zeit.

Oder Telegram, ich erinnere mich auch an eine andere Recherche, die ich gesehen hatte. Ich glaube, das war eine Kollegin von dir oder eine Wissenschaftlerin, ich bin mir nicht mehr sicher, die sich angeschaut hatte: Wieviel echte Accounts sind denn in den ganzen großen Kanälen drin, der Querdenker und Co., wieviel Bots sind da drin, also ist die Verteilung da tatsächlich dann auch drin, was auch ganz spannende Erkenntnisse liefern.

Und auch so ein bisschen einnorden hilft wie viele Menschen tatsächlich in der Bewegung drinstecken und wie viel Aktivität, ist halt nicht unbedingt nur durch Menschen verursacht. Was, finde ich, immer auch schön, so ein bisschen diesem Ballon so ein bisschen in die Luft rauslässt, der medial teilweise so riesengroß aussieht. Genau drauf geschaut stellt man fest so viele sind es gar nicht. Man eigentlich dachte. Also die Nutzung von Daten, die da sind.

Du sagtest, die meisten Daten sind latent da, wir haben dieses Wissen eigentlich. Wie kriege ich denn mit? Oder wie kriege ich denn raus, ob diese Daten überhaupt existieren? Weil bevor analysieren kann, muss ich ja erst mal verstehen: gibt es Daten überhaupt, die ich nutzen könnte für meinen Zweck? Wo setze ich denn da an idealerweise?

Sebastian
Das hängt natürlich auch wieder komplett vom Thema ab, wo du dich rein ackern möchtest. Ich versuche in meinem Berufsalltag, mir so regelmäßig eine kleine Blase zu schaffen, wo ich mich genau mit sowas beschäftige und einfach mal Ideen sammele und Links sammele. Man kann sich natürlich super anschauen, was machen die anderen, die das schon super machen, zum Beispiel Datenjournalist:innen und Daten-Teams.

Da findet man dann auch häufig raus, welche anderen Dinge noch möglich gewesen wären. Also ein altes Learning von einer meiner ersten Chefin in der Lokalzeitung war: Bringe von jeder Geschichte noch eine andere mit. Oder zumindest eine Anregung für noch eine andere Geschichte. Also wenn man herausgefunden hat, hier wurden kleine Anfragen gescrapt zu einem Thema, zum Beispiel Handydaten-Anfragen in einem Bundesland. Dann weiß man sofort:

Hey, wenn das in einem Bundesland geht, dann geht’s auch in den anderen, zum Beispiel. Oder wenn man herausfindet, hier wurde recherchiert zu einer Behörde und es gibt noch viele andere Behörden, die vielleicht ähnliche Daten haben. Also man kann sozusagen durch horizontale Vergleiche sich neue Sachen erschließen. Es gibt große beliebte Plattformen zu bestimmten Daten, zum Beispiel Plattformen für die Leitlinien zu Gesundheitsthemen oder Plattformen, wo Unternehmensdaten gespeichert werden.

Da kann auch einfach mal wirklich wild rumprobieren. Einfach mal eine Viertelstunde Sachen ausprobieren, die Suchfunktion durchtesten und so weiter. Und plötzlich ergeben sich total neue Spuren. Und dann gibt’s natürlich solche wunderbaren Plattformen wie „Frag den Staat“, die Informationsfreiheitsrechte benutzen, um Informationen zu bekommen, die theoretisch schon da sein müssten, aber noch nicht herausgegeben worden sind.

Und wenn man sich da mal anguckt, woran arbeiten die? Wobei beißen die sich gerade die Zähne aus, dann kriegt man auch so ein Gefühl. Wo ist vielleicht noch was zu holen und wo haben Behörden vielleicht gerade aus welchen Gründen auch immer keine besondere Lust, sehr schnell entgegenzukommen?

Christian
Ja, definitiv. Also im Grunde ist es redet sie viel Trial and Error, einfach mal am Anfang ein Gefühl dafür zu kriegen, was geht entsprechend mit Daten und was ist verfügbar irgendwo. Ich persönlich hab da so ein bisschen die Frage im Hinterkopf und das gilt glaub ich für Datenanalyse und Onlinerecherche, du hast es mehrfach auch gesagt: Wir brauchen da schon gewisses Skill-Set, auch einfach für den normalen Nutzer und Nutzerin. Jetzt gerade auch wenn ich jetzt an NGOs im zivilgesellschaftlichen Bereich denke, denke ich, neben der Onlinerecherche sind die Skills zur Datenanalyse definitiv auch relevant und noch viel zu unterentwickelt.

Wie können wir Medien- und Recherchekompetenz fördern?
Wir spielen mal kurz Wunschkonzert, so ein bisschen, wenn du dir was wünschen könntest, wenn du jetzt gefragt würdest. Wir haben vor, die Skills unserer normalen Internetnutzer:innen verbessern in Sachen Onlinerecherche und auch das Bewusstsein für die Bedeutung von Daten und Datenanalyse zu schärfen. Und du könntest dir was wünschen, wie das stattfinden sollte. Was wäre denn dein Wunsch in einer idealen Welt?

Sebastian
Ich komme jetzt mit etwas, wo ich weiß, dass ganz viele die Augen rollen werden, denn sowas wird viel zu oft gefordert: ein eigenes Unterrichtsfach. Von mir aus, auch wenn es kein eigenes Fach ist, integriert in andere Fächer. Also in Geschichte kann man in solchen Recherchen historische Themen online recherchieren. Bei Erdkunde könnte man geographische Themen online recherchieren und so weiter. Dass dieses Vorgehen viel mehr etwas ist, was Schüler:innen einüben. Da muss man natürlich auch sagen: Ich bin auch jetzt seit sehr vielen Jahren nicht mehr selber an der Schule.

Vielleicht sind da schon Bewegungen gemacht worden. Ich stelle mir oft noch so vor, dass die Schule heute so ist wie vor 10 Jahren. Aber vielleicht ist das ja gar nicht so, aber das wäre z.B. das Eine. Und das Andere wäre eine Verstärkung von dem, was ich teilweise schon sehe bei Kolleginnen und Kollegen in der Medienbranche, dass wir den Ablauf von Recherchen viel mehr einbeziehen als erzählerisches und auch unterhaltendes Element in den journalistischen Produkten. Das haben wir bei Vice versucht.

Buzzfeed News macht das häufig. Es gibt auch einzelne Videos von z.B. dem YouTube Kanal „offen und ehrlich“ die sehr cool und unterhaltsam sind, wo sie auch wie sie gesucht haben, wo sie gescheitert sind, was sie in Suchmaschinen eingegeben haben, zum Teil ihrer Erzählung machen. Und das ist natürlich nicht nur eine nette Art Minuten zu füllen, nein, nein, das ist etwas, was auch sozusagen, dass die Zuschauenden noch mal selber ermächtigt und es für sie total selbstverständlich macht, dass jede:r solche Dinge durchführen kann.

Und das ist nochmal ein ganz anderes Bild als das von dem vielleicht eher klassischen, ich würde sogar sagen, gestrigen Journalismus, wo man sich den Journalisten, die Journalistin als die wissende, predigende Person vorstellt. Die ist schon irgendwie vollendet und veredelt, in schönen preiswürdigen Worten alles darbietet, was sie herausgefunden hat und sich nicht in die Karten schauen lässt, wie das eigentlich passiert ist.

Und ich finde, das ist nicht eine Frage von Stil und Ästhetik, sondern es ist mit ein Teil unserer Aufgabe aufzuklären, dass wir eine Recherche transparent machen, auch wenn wir das dann vielleicht nicht die wunderschöne Reportage ist, die man bei einer literarischen Lesung auf der Bühne vortragen würde. Die darf es ja auch geben. Aber ich würde sagen Mut dazu, die Recherche, Wege, die man selber gemacht hat, transparent zu machen.

Christian
Also auch eine methodische Transparenz irgendwo, was ja aus meiner Sicht zumindest, widersprich mir gerne gleich, auch so ein bisschen helfen könnte, diesen ganzen Vorwürfen von Fake News oder gesteuerten Medien und sonstigem Quatsch den Wind aus den Segeln zu nehmen. Einfach wenn ich handwerklich offenlege, wie ich gearbeitet habe, wenn ich meine Qualitätsstandards auch offenlege und zeige einfach, dann muss ich mir ja schon sehr viel mehr Arbeit machen, um das legitim zu kritisieren, irgendwo und was zu finden, was ich kritisieren kann.

Wenn das natürlich eine Blackbox ist, der Prozess, wie das zustande gekommen ist, ist es sehr, sehr einfach Misstrauen zu schüren gegenüber Ergebnissen, weil ich halt überhaupt nicht nachvollziehen kann, wie habt ihr denn da gearbeitet? Das wäre vielleicht auch eine gewisse Absicherung irgendwo, sag ich mal, was Vertrauen schaffen könnte als Maßnahme.

Sebastian
Das glaube ich auch und das passiert ja auch. Also es ist ja längst nicht mehr so, dass der Methodenteil eine langweilige graue Box ist, ne, das kann man ja auch wirklich erzählerisch auswälzen. Und auch wenn man z.B. daran denkt, wie populär True Crime Podcasts sind, die ja auch vom Ermitteln handeln. Also ich glaube es liegt auch ein wirklich großer Unterhaltungswert, auch wenn das natürlich der einzige Grund sein sollte, es liegt trotzdem ein großer Unterhaltungswert darin, eine Recherche spannend und transparent zu schildern.

Christian
Ja, auf jeden Fall. Vielleicht erinnert sich der eine oder andere Zuhörer, Zuhörerin noch tatsächlich an die Panama-Papers? Dazu gibt es auch ein Buch und Hörbuch, wie das entstanden ist über die Monate und Jahre hinweg. Und ganz ehrlich: Ich fand die Panama-Papers an sich jetzt die Rechercheergebnisse, viel Zahlen und so, nicht unrelevant, aber auch nicht super spannend. Ich fand das Buch und die Geschichte, wie sie entstanden sind, Kilometer spannender ehrlicherweise als die Ergebnisse, weil das halt handwerklich einen ganz anderen Blick rein gegeben hat, wie sowas wirklich entsteht und abläuft.

Und das ist halt etwas, was, wenn man sich nicht im journalistischen Umfeld bewegt, man in der Regel halt überhaupt nicht zu Gesicht bekommt oder kennt. Das ist halt tatsächlich spannend. Der Reiz des Unbekannten. Ich schaue ein bisschen auf die Uhr. Ich könnte noch ewig mit dir weiterreden. Ich komm trotzdem so langsam zum Schluss. Ich hatte dir versprochen, nicht länger als fünfundvierzig Minuten. Richtung Abschluss, frage ich meine Gäste meistens zwei Fragen.

Die erste Frage an dich ist: Wenn ich jetzt hier zugehört habe und ich finde beide Themen total spannend. Was wäre deine Empfehlung? Wo kann ich vielleicht auch andocken? Was sollte ich mir vielleicht durchlesen um mich auch tiefer mit Onlinerecherche und Co. zu befassen und Datenanalysen.

Sebastian
Ich möchte die Antwort in zwei Teile teilen. Ich habe zuerst drei Instant-Tipps, um komplett low level mit ein bisschen mehr Onlinerecherche einzusteigen. Alle die diese Tipps schon kennen, die dürfen sich jetzt schlau fühlen und sie können dann meinen Newsletter lesen und finden noch mehr Tipps. Aber die ersten drei Tipps, die richtig Spaß machen und sofort zu Ergebnissen führen.

  1. Tipp Nummer ein: Mal den eigenen vollständigen Namen in Anführungszeichen auf Google suchen und gucken, was rauskommt. Und dann vielleicht auch nochmal über die Sucheinstellungen den Zeitraum eingrenzen auf letzte Woche, letzter Monat, letztes Jahr. Und schauen, wo man überall selbst schon online Spuren hinterlassen hat. Wer das noch nie gemacht hat, könnte überrascht werden.
  2. Tipp Nummer zwei: Mal die umgekehrte Bildersuche von Google ausprobieren und wild rumspielen. Bei irgendeinem Bild, das einen interessiert. Dabei findet man vielleicht nicht unbedingt wirklich direkt das Bild nochmal an anderen Stellen. Aber man lernt, wie Bilderkennungsalgorithmen funktionieren und wie Maschinen Ähnlichkeiten erkennen.
  3. Und Tipp Nummer drei: Auf Archive org, der sogenannten Way back Machine, sich mal die ältesten Versionen der Websites anschauen, die man in seinem eigenen Alltag am häufigsten besucht. Auch ein wunderschöner Spaß. Das Archive.org nimmt immer mal wieder Schnappschüsse von beliebten Websites und erstellt damit ein Internet Archiv, erlaubt Zeitreisen durchs Internet und dann für alle, die sich richtig reinfuchsen wollen, gibt’s einen wundervollen Twitteraccounts. @Quiztime (Link am Artikelanfang). Dort gibt es jeden Wochentag eine Challenge von verschiedenen Journalistinnen und Recherche Profis. Da wird dann ein Foto gepostet und man soll dazu Fragen beantworten, z.B. wo wurde das aufgenommen oder sogar zu welcher Uhrzeit?

Und dann fängt die Twitter Community an, das mit Internet-Mitteln zu recherchieren. Ich muss dazu ganz offen sagen, ich bin da mega schlecht drin. Ich kann das nicht so gut und fühle mich da oft überfordert. Andere fuchsen sich da super rein und man kann, auch wenn man da nicht selber schnell super fühlt, einfach nur gucken was dann rauskommt. Es hat auch wenn man das nur passiv macht, glaube ich einen großen Unterhaltungs- und Lerneffekt. Und das ist eine super freundliche Community, die sich ganz stark über Menschen freut die da einfach mitmachen wollen @quiztime auf Twitter hier.

Christian
Sehr, sehr gute Tipps, also dein, dein Newsletter und deine Publikation, auch dein Board mit den ganzen Tooltips verlinke ich ohnehin, also da werde ich auf jeden Fall die Leute hinschicken, weil ich finde das dann auch eine sehr schöne Ressource, um tiefer einzusteigen. Gerade der Newsletter finde ich liefert jedes Mal auch wieder Inspiration nach dem Motto „Ach guck mal, das wäre ja auch möglich, wenn du dir mehr Zeit nehmen würdest, dich damit zu beschäftigen.“ Das ist schon mal sehr, sehr spannend.

Medienkompetenz ist nicht nur Verantwortung der Nutzer:innen

Die zweite Frage ist die zum Teil des anspruchsvolle glaube ich, ich stelle sie trotzdem. Welches Thema hättest du gerne noch den Zuhörerinnen und Zuhörern mitgegeben, nachdem ich dich nicht gefragt habe?

Sebastian
Das freut mich so, dass du die Frage stellst, denn ich habe auch meine Notizzettel noch ein Thema, wo ich dachte „Oh, hast du ja gar nicht gefragt.“ Ich möchte noch bei diesem ganzen Medienkompetenz Dings, was wir da jetzt eine dreiviertel Stunde rausgehauen haben, noch eines dazu sagen: Nämlich ich finde, wir sollten das nochmal aus dem Bereich Klassismus reflektieren, dass wir da auch Ansprüche stellen an Zuhörende oder an Menschen im Allgemeinen, die zu einem gewissen Grad auf Privilegien basieren.

Und ich glaube, hinter dieser typischen Forderung nach mehr Medienkompetenz stehen zwei falsche Annahmen. Die erste falsche Annahme ist, dass alle Menschen in irgendeiner realistischen Weise in ihrem Leben Platz dafür haben, Medienkompetenz zu optimieren. Manche haben einfach wirklich völlig andere Sorgen, müssen buchstäblich ihren Arsch retten, sei es finanziell oder was mental Health angeht und so weiter und so weiter. Also diese Forderung nach Medienkompetenz setzt irgendwie voraus, dass wir hier Menschen haben in einem behüteten, ökonomisch stabilen Leben, vielleicht sogar mit einem traditionellen, gehobenen Bildungsweg.

Und es ist einfach unrealistisch. Das heißt, es muss auch eine gemeinsame Anstrengung sein von allen, die Menschen ermächtigen. Das betrifft Sozialarbeit, Journalist:innen, die Bildungsbranche und so weiter. Also mir ist es ganz wichtig, dass diese Debatte nicht plötzlich dann am Einzelnen hängenbleibt. Und es gibt eine zweite falsche Annahme, die uns auch vielleicht ein bisschen mit einem mulmigen Gefühl zurücklässt. Und das ist die Annahme, dass Menschen, wenn sie nur genug recherchieren, schon zu derselben Einschätzung gelangen.

Das wird nicht funktionieren. Es gibt Menschen, die sind aus tiefster, sorgfältig recherchierter Überzeugung Sexisten, Rassisten oder andere Menschenfeinde. Und das wird auch mit einem Maximum an Medienkompetenz nicht zu ändern sein. Ich halte es trotzdem für einen total wichtigen Schlüssel. So ist das nicht. Aber wir sollten uns da glaube ich, nicht in eine Utopie verlieben, die wir nie erreichen können.

Christian
Sehr, sehr schön. Danke für die Aspekte. Danach hätte ich nicht mehr gefragt, aber ich finde sie unglaublich wichtig. Gerade zu deinem letzten Punkt noch zur Ergänzung für ein ganz plastisches Thema, das jetzt gerade – wir nehmen im Dezember 2020 auch wieder sehr deutlich geworden ist, finde ich: es gibt auf diese Grundannahme von Menschen, die überzeugte Demokraten sind, nicht einmal, dass je mehr Wahlbeteiligung es gibt, desto fairer und ausgewogener wird das System Zusammensetzung am Ende des Tages.

Newsflash: Wenn ich mir die letzten Wahlen der Vergangenheit angucke in verschiedenen Ländern: Das ist kein Automatismus, nur weil die Wahlbeteiligung hoch liegt, automatisch. Das ist genau die gleiche Geschichte „mit weil die Leute Medienkompetenz sind, sind sie automatisch der „richtigen““ große Luftanführungszeichen, wer gerade zuhört, Meinung. Wird nicht funktionieren. Menschen sind einfach sehr unterschiedlich und es gibt glaube ich kein Patentweg zu irgendeiner Erkenntnis zu kommen. Jeder hat einen ganz anderen Background. Also danke für diese Ergänzung die finde ich sehr sehr wichtig.

Zum Abschluss Sebastian: Deinen Newsletter verlinke ich auf jeden Fall. Das ist gesetzt. Wo findet man dich noch online? Wo sollten die Zuhörerinnen und Zuhörer noch nachschauen, wenn sie mehr zu dir wissen wollen? Also wer Twitter hat, kann mir auf Twitter folgen @sebmeineck heiße ich da und ansonsten findet man am einfachsten, was ich mache auf meiner Website sebmeineck.de Danke, dass du mir diesen kleinen Werbeblock noch zugestanden hast.

Wie gesagt, ich werde auch den YouTube-Kanal, den du erwähnt hast, deinen Newsletter und all die Geschichten auf jeden Fall eine Shownotes verlinken und im Blogartikel. Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer, schaut da definitiv mal vorbei. Gerade den Newsletter finde ich total spannend. Und noch ein Hinweis: der Newsletter ist kostenlos. Ich finde auch deine Begründung total toll. Nach dem Motto „Jeder soll sich das angucken können“ aber ich meine, korrigiere mich, du hast auch einen Steady-Link da drin, wer das finanziell unterstützen möchte.

Sebastian
Genau das ist richtig. Wer was am Ende des Monats übrig hat und Journalismus unterstützen möchte, darf das sehr gerne tun. Aber genau wie du gesagt hast: Mir ist wichtig, dass jeder diesen Newsletter lesen kann, egal wie es gerade finanziell aussieht.

Christian
Wie häufig erscheint der Newsletter, noch für die Zuhörenden?

Sebastian
Einmal im Monat.

Christian
Genau. Das war eine wichtige Info, weil es heißt: Euer Postfach wird nicht überflutet mit E-Mails, wenn ihr da abonniert. Es gibt einmal im Monat ordentlich und gut recherchierte Grundlagen zum Weiterlesen und Storys, die echt spannend sind. Sebastian Ich kann wirklich nur danke sagen. Es hat mir ganz, ganz viel Spaß gemacht. Ich hoffe tatsächlich, dass jetzt 2021 vielleicht nochmal Zeit für ein zweites Gespräch finden.

Ich denke, da so im Vorfeld der Bundestagswahlen vielleicht nochmal zum Thema Recherchekompetenz und Co. wenn es um Trennen von richtigen oder falschen Nachrichten geht. Sowas fände ich total spannend, tatsächlich. Weil ich glaube, wir jetzt gerade die Oberfläche angekratzt, bei den ganzen Themen.

Sebastian
Ja, auf jeden Fall. Lass uns da gerne in Kontakt bleiben.

Christian
Sehr gerne. Sebastian, herzlichen Dank und wie immer euch lieben Zuhörenden. Danke für eure Zeit und Aufmerksamkeit. Ohne euch hätte das Ganze zwar auch Spaß gemacht, aber es wäre nur halb so sinnvoll, weil ihr würdet halt nicht zuhören. Deswegen danke, dass ihr reingehört habt. Wenn ihr Fragen habt, gerne direkt an Sebastian auf Twitter oder halt in die Kommentare und wir leiten sie weiter. Das wäre super.

Christian
Herzlichen Dank und bis zum nächsten Sozialgespräch Podcast. Tschau zusammen.


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