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Digital Natives – Von falsch verstandener Kompetenz
Digital Natives – diese seltsame, ganz eigene Spezies scheint sich, wenn ich den Medien und Blogs Glauben schenke, mit der wachsenden Bekanntheit der sozialen Netzwerke in allen möglichen Bereichen niederzulassen. Innerhalb weniger Monate und Jahre sind sie überall anzutreffen und scheinen, wieder basierend auf einem medial geprägten Bild, die Kompetenz für Social Media gepachtet zu haben. Die „Social Media Versteher“ – wie sie ab und an genannt werden – sind jung, hip und wachsen praktisch mit Smartphone und Tablet auf.
Okay, Schluss damit, genug Klischees, Scherz beiseite. Der Hype und Mythos, der rund um den Begriff „Digital Native“ betrieben und aufgebaut wird, geht mir schon lange auf die Nerven. Was soll das überhaupt sein, ein Digital Native? Wikipedia definiert den Begriff so:
Als Digital Natives (dt.: digitale Eingeborene) werden Personen bezeichnet, die mit digitalen Technologien wie Computern, dem Internet, Mobiltelefonen und MP3-Player aufgewachsen sind.
Digital Native – Eine Frage der Haltung
Als Abgrenzung gibt es dann noch die Digital Immigrants, also Menschen, die zwar nicht mit den Möglichkeiten und Kommunikationswegen aufgewachsen sind, diese jedoch recht gut nutzen können. Ganz ehrlich? Meiner Meinung nach kompletter Müll, der völlig am Thema vorbeigeht. Meiner Definition und Wahrnehmung nach sind Digital Natives Menschen, für die die sozialen Netzwerke und die damit in Verbindung stehenden Technologien und Kommunikationskanäle selbstverständlicher Teil des Lebens sind.
Sie unterscheiden nicht zwischen „Real- und Second-Life“ – allein die Begriffe (!) – sie werten Beziehungen nicht aufgrund der Kommunikationskanäle oder fehlenden persönlichen Kontakts ab. Sie nutzen einfach alle Möglichkeiten, Off- und Online-Kommunikation sind gleichberechtigt und werden nicht gegeneinander abgewogen. Ihr merkt, das Thema rumort schon eine Weile in mir. Daher nutze ich die Blogparade meiner geschätzten Kollegin Heike Stiegler zum Thema „Dürfen sich nur unter 30-jährige als “Digital Natives” bezeichnen?“ um darüber zu schreiben. Der Hauptgrund: Viele Unternehmen und Einrichtungen schreiben sogenannten Digital Natives Kompetenzen zu, über die diese gar nicht verfügen.
Kompetenz entsteht aus Erfahrung – der richtigen
Viele Unternehmen und Geschäftsführer gehen nach wie vor davon aus, dass junge Menschen, die Smartphone, Tablet und soziale Netzwerke wie selbstverständlich nutzen, dadurch für Jobs als Social Media oder Community Manager qualifiziert sind. Frei nach dem Motto: „Die kennen sich aus, wir nicht.“ Älteren Mitarbeitern, deren professionelle Wurzeln im klassischen PR-, Presse- oder gar Marketingbereich liegen, wird diese Kompetenz – oft auch außerhalb der Unternehmen – abgesprochen.
Da habe ich schlechte Nachrichten: Digital Natives sind für Unternehmen nicht automatisch die beste Wahl und erfahrene Mitarbeitet mit traditionellem Berufsbild kennen sich teilweise hervorragend in den Social Media aus. Ja, sogenannte Digital Natives kennen die sozialen Netzwerke und nutzen diese. Doch deshalb können sie noch keine Strategie entwickeln, unternehmensinterne Abläufe verstehen oder sich in die Kommunikation eines Konzerns einarbeiten.
Klassisch ausgebildete Mitarbeiter – ja, auch die mit weißen oder grauen Haaren – bleiben allerdings auch nicht automatisch auf ihrem einmal erreichten Level stehen. Inzwischen kenne ich persönlich zahlreiche ältere Mitarbeiter, die Social Media wirklich verstanden haben und mit Ihrem Erfahrungsschatz aus ihrer bisherigen Arbeit kombinieren können.
Unternehmen sollten sich bei der Wahl ihres Personals daher nach echter Kompetenz umschauen. Aus meiner Sicht sind die für die Personalauswahl gültigen Kriterien weitgehend deckungsgleich mit den Aspekten, die ich nach meiner eingangs genannten Definition auch für den Begriff der Digital Natives nutze. Die wichtigsten Kriterien sind:
- Erfahrung und aktive Nutzung der sozialen Netzwerke
- Verständnis für die Besonderheiten der verschiedenen Netzwerke und eine der jeweiligen Plattform angepasste Kommunikation
- Lern- und Entwicklungsbereitschaft, die auch für die Einarbeitung in Unternehmenskommunikation und andere Kommunikationskanäle gilt
- Natürliche Neugier, Wissensdurst und Freude an Experimenten
- Liebe zur Kommunikation und zum Umgang mit Menschen
- Kritikfähigkeit, die Bereitschaft zur Entschuldigung und hohe Selbstreflexion
- Empathie und Fingerspitzengefühl
- Risikobereitschaft und die Fähigkeit, Grenzen und heikle Themen zu erkennen
Zugegeben, nicht alle der genannten Punkte gelten für meine Definition der Digital Natives, einige beziehen sich konkret auf die Arbeit im Unternehmenskontext. Für mich steht jedoch fest: Wenn jemand die Bezeichnung Digital Native unbedingt verwenden will, sollte er die Einordnung nicht am Alter, sondern am Verhalten, den Kompetenzen und Erfahrungen der Person festmachen.
Um die Frage der Blogparade zu beantworten: Ja, auch Menschen weit jenseits der 30 können Digital Natives sein. Genauso, wie Menschen deutlich unter 20 mit der sinnvollen und konstruktiven Kommunikation in den sozialen Netzwerken ihre Probleme haben können. Soll es ja geben.
Kommentare zu diesem Artikel
Danke. dieser Beitrag passt 🙂
Danke dir. Eine Frage: Passt zu…? 😉
[…] sozial-pr.net […]
Hallo Christian,
danke für deinen Beitrag! Sehr schön fand ich dein Bild vom Boot und der Sehnsucht, die zuerst geweckt werden sollte – klasse! Das hat, glaube ich, bei mir damals jemand geschafft 😉 Und das gilt es jetzt auch weiter zu tragen – mit Lust!
Und zu den „Digital Natives“: Ich habe teilweise ähnlich Erfahrungen gemacht, bevor ich mich selbstständig machte. Die Arbeitgeber wollten jüngere Menschen, die aber natürlich trotzdem alles wissen… Aber der Blick geht nach vorn.
Herzliche Grüße!
Inga
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[…] Facebook, Twitter, Instagram, YouTube oder WhatsApp – Die sogenannten Digital Natives sind auf zahlreichen sozialen Plattformen zu Hause. Ein Leben ohne Internet und Smartphone – […]