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Messenger für die Soziale Arbeit: Meine Übersicht und Erfahrung

Vorweg zwei Hinweise: 1. Die folgende Liste erhebt keinerlei Anspruch auf Vollständigkeit. Sie spiegelt meine Erfahrung und Arbeit wider. Sämtliche Empfehlungen und Einschätzungen basieren auf meiner Meinung, ich werde von keinem der Anbieter gesponsert oder bezahlt. 2. Da ich kein Jurist bin, sind die folgenden Hinweise keine Rechtsberatung. Das kann, darf und soll nicht Intention dieses Artikels sein. Bevor ihr einen der genannten Messenger oder Tipps umsetzt, solltet ihr immer mit euren Datenschutzbeauftragten, JuristInnen und Führungskräften sprechen. Das Dienstanweisungen zu beachten sind, versteht sich von selbst.
Mit diesen beiden Hinweisen aus dem Weg beginnen wir mit einem Blick auf eine oft gestellte Frage:
Warum brauchen wir überhaupt eine WhatsApp-Alternative?
Ein Blick auf die Nutzung von Messenger macht deutlich: WhatsApp dominiert das Feld, nicht nur aber eben auch in Deutschland. Die folgende Grafik des Messenger-Dienstleisters Messengerpeople zeigt das deutlich. Rein logisch betrachtet liegt es also nahe, die KlientInnen im Messenger ihrer Wahl abzuholen.

Eine Statistik über Messenger vs. Social Media.
Dem stimme ich zu, solange WhatsApp für Newsletter und als Info-Kanal genutzt wird. Die dafür notwendige Funktion nennt sich Broadcast-Liste. Kollege Ralf Bachmann hat dazu, und zu anderen Funktionen von WhatsApp, ein hervorragendes Tutorial verfasst. Es findet sich in seiner umfangreichen Linkliste zum Thema WhatsApp-Newsletter.
Warum nutze ich WhatsApp nur als Newsletter und Informationskanal? Hier meine drei wichtigsten Gründe:
- Einen Newsletter müssen die EmpfängerInnen aktiv abonnieren. Richtig gemacht kann ich so nicht nur das notwendige Double-Opt-in nachweisen – zur Begriffserklärung bitte hier entlang – sondern weiß auch, dass die Abonnierenden WhatsApp als Kanal nutzen wollen.
- Die Funktion eines Newsletters ist klar: Schnelle Informationsvermittlung. Es geht explizit nicht um Beratung oder ausführlichen Kontakt mit KlientInnen. Zwar mag der eine oder die andere antworten, doch es ist von vornherein klar, dass hier keine Beratungsgespräche stattfinden.
- Da Messenger oft als private Kommunikationskanäle wahrgenommen werden, werden die hier verschickten Nachrichten meist gelesen. Das führt zu extrem hohen Öffnungsraten bei Messenger-Newslettern. Die Informationen kommen tatsächlich bei den EmpfängerInnen an.
Inhaltsverzeichnis
Wenn du es eilig hast – oder dich nur bestimmte Aspekte interessieren – kommst du hier direkt zum passenden Abschnitt:
- WhatsApp sammelt zu viele Daten
- Tipps für den Umstieg auf WhatsApp-Alternativen
- Messenger für die Soziale Arbeit
- Meine Messenger Empfehlungen: Wire und Threema
- 10 Fragen für die Messenger-Wahl
- Euer Feedback ist gefragt
WhatsApp sammelt zu viele Daten
Über Newsletter hinaus ist WhatsApp für die Soziale Arbeit in Deutschland nach heutigem Stand (März 2019) jedoch nicht einsetzbar. Der Grund dafür liegt in der Datensammlung des Messengers.
Rein technisch ist es zwar so, dass die Inhalte bei WhatsApp verschlüsselt sind und Facebook, dem WhatsApp gehört, Konversationen nicht mitlesen kann. Unter diesem Aspekt ist WhatsApp sogar sicherer als normale, unverschlüsselte E-Mails.
Leider sammelt WhatsApp – und damit Facebook – jedoch einiges an Daten. Konkret gibt es zwei Hauptprobleme:
- WhatsApp erzwingt bei der Installation das Hochladen des Adressbuchs. Genau genommen bräuchten wir von jedem Kontakt in unserem Adressbuch die schriftliche Einverständniserklärung, dass wir seine Daten an Facebook respektive WhatsApp weitergeben dürfen. Dass ist natürlich in der Praxis nicht machbar.
- WhatsApp verschlüsselt zwar den Inhalt der Konversation, nicht aber die Identität der KonversationsteilnehmerInnen. Es ist also nachvollziehbar, wer mit wem schreibt oder spricht. Und aus diesen sogenannten Metadaten lassen sich einige Schlüsse ziehen. Was würdet ihr beispielsweise denken, wenn jemand innerhalb von 24 Stunden dutzende Nachrichten mit der Beratungsnummer einer Schuldnerberatungsstelle austauscht? Genau.
Für die Adressbuchproblematik gibt es Umwege und Lösungen. Für Newsletter nutze ich beispielsweise ein Smartphone, auf dem nur die Kontaktdaten der Newsletter-AbonnentInnen liegen.
Wir können WhatsApp auch auf einem leeren Smartphone installieren, nach der Installation den Zugriff auf das Adressbuch sperren und erst dann Kontaktdaten synchronisieren. So können wir zwar keine neuen Chats starten, sind aber via WhatsApp erreichbar.
Rein technisch ist es auch möglich, WhatsApp durch eine sogenannte Container-Lösung vom Adressbuch und den sonstigen Daten auf dem Smartphone zu trennen. Solche Lösungen sind aufwendig, sie müssen programmiert und auf den Smartphones eingerichtet werden, aber möglich.
Doch selbst wenn das funktioniert, wird immer noch erfasst, wer mit wem kommuniziert. Und die Daten liegen auf US-Servern von Facebook, die nicht DSGVO kompatibel sind.
Tipps für den Umstieg auf WhatsApp-Alternativen
Messenger, die für uns in der Sozialen Arbeit besser geeignet sind, haben eines gemeinsam: Sie haben deutlich weniger NutzerInnen als der grüne Messenger aus dem Hause Facebook. Manche von ihnen haben zusätzlich das Problem, dass sie kaum bis gar nicht bei unseren KlientInnen bekannt sind.
Das stellt uns vor die Herausforderung, mit unseren KlientInnen den Schritt weg von WhatsApp zu tun. In meiner Arbeit habe ich gelernt, dass es dabei einige Punkte zu beachten gilt:
- Der Messenger sollte ansatzweise so komfortabel zu nutzen sein wie WhatsApp.
- Kostenpflichtige Messenger sind eine Hürde, selbst wenn wir unseren KlientInnen die Kosten erstatten oder sie für sie übernehmen.
- Datenschutz ist in den meisten Arbeitsfeldern kein wichtiges Thema für unsere KlientInnen. Das bedeutet: Wenn wir andere Messenger als WhatsApp nutzen, müssen diese Vorteile für unsere KlientInnen haben, die jenseits des Datenschutzes liegen.
Dazu sei gesagt, dass der letzte Punkt nicht für alle Arbeitsfelder gilt. Im Bereich der Suchthilfe oder im Gesundheitsbereich erlebe ich oft, dass KlientInnen sehr datenschutzbewusst sind und großen Wert auf die Sicherheit ihrer Daten legen.
Auch wenn das Angebot der Sozialen Arbeit oder Wohlfahrt für unsere KlientInnen sehr wichtig sind, beispielsweise bei der Schuldner- oder Insolvenzberatung, ist die Bereitschaft zur Nutzung alternativer Messenger oft groß.
In der Jugendarbeit und der aufsuchenden Sozial Arbeit im Bereich der Familienhilfe und anderen Arbeitsfeldern ist meiner Erfahrung nach jedoch häufig Überzeugungsarbeit nötig. In meinen Projekten haben sich folgende Argumente bewährt:
- Mit einem separatem Messenger können, das betrifft oft Jugendliche, Nachrichten nicht aus Versehen an die falschen EmpfängerInnen geschickt werden. In einigen Fällen warne fehlgeleitete Chats für Jugendliche und Sozialarbeitende gleichermaßen peinlich. Die Trennung in verschiedene Apps hilft, solche Peinlichkeiten zu vermeiden.
- WhatsApp wird von vielen KlientInnen als privater Kommunikationskanal wahrgenommen und genutzt. Manche empfinden es daher als Eingriff in ihre Privatsphäre, wenn Träger und Einrichtungen der Sozialen Arbeit dort mit ihnen kommunizieren wollen. Ein anderer Messenger löst das Problem.
- In manchen Arbeitsfeldern haben wir es mit Familien oder Lebenssituationen zu tun, in denen die Smartphones unserer KlientInnen kontrolliert werden. Konkret habe ich das bei Familien mit häuslicher Gewalt oder sehr patriarchalen Strukturen erlebt. WhatsApp wird in der Regel mit kontrolliert. Ein gesonderter Messenger, vielleicht auf dem dritten Home Screen tief in einem Ordner versteckt und mit einem gesonderten Passwort gesichert, bleibt oft unentdeckt und gewährt eine gewisse Sicherheit in der Kommunikation.
Sicher treffen nicht alle Argumente auf alle Situationen und Arbeitsbereiche zu. Meine Hoffnung ist jedoch, dass sie zumindest als Inspiration dienen können. Wenn ihr andere Argumente nutzt oder den Umstieg auf eine WhatsApp-Alternativer ganz anders gemeistert habt, meldet euch gerne in den Kommentaren, per E-Mail oder Messenger.
Messenger für die Soziale Arbeit
Die KollegInnen von mobilsicher stellen in ihrem Video und Ratgeber die aus meiner Sicht besten WhatsApp-Alternativen vor, zumindest wenn es um die Kommunikation mit KlientInnen geht.
Meine Einordnung: Signal schätze ich aus ideologischen Gründen, ich mag den Open Source Gedanken, und aufgrund seiner hervorragenden Verschlüsselung. Der Nutzerkomfort ist leider nicht so hoch bei WhatsApp und setzt, zumindest meiner Erfahrung nach, eine gewisse Fehlertoleranz und Technikaffinität voraus. In der Praxis setze ich ihn deshalb, und weil die verwendeten Serverstandorte nicht zweifelsfrei DSGVO kompatibel sind, zwar gerne privat ein, jedoch nicht für Einrichtungen oder Organisationen.
Das gilt ebenso für Telegram. Auch diesen Messenger mag ich aufgrund seiner Entstehungsgeschichte und Ideologie, da der Anbieter jedoch in Dubai sitzt und die Server nicht 100%ig DSGVO kompatibel sind, empfehle ich ihn meinen Kunden nicht.
SimsMe – ursprünglich von der deutschen Post entwickelt – wechselt aktuell den Besitzer. Erstens sind die Pläne der Brabbler AG für SimsMe noch unklar, zweitens war der Messenger in meinen Tests bisher nicht so zuverlässig wie die bisher genannten Alternativen.
Meine Messenger Empfehlungen: Wire und Threema
Mein aktueller Messenger der Wahl für die Soziale Arbeit ist Wire. Im Gegensatz zu meiner zweiten Empfehlung, Threema, stehen die Server hier nicht ausschließlich in der Schweiz, sondern in der EU. Das macht Wire für manche Datenschutzbeauftragte weniger attraktiv als Threema. Aus folgenden Gründen ziehe ich Wire dennoch vor:
- Der Quellcode ist Open Source und wird von einer großen Community an EntwicklerInnen geprüft. Transparenz ist mir immer sympathisch.
- Apropos Transparenz: Wire veröffentlicht in seinem Transparenzbericht die Zahl der Anfragen von Behörden, wie viele Kunden betroffen waren und ob sie der Anfrage nachgekommen sind. Vorbildlich.
- Da der Quellcode Open Source ist, kann Wire auch auf einem eigenen Server installiert werden. Das ist mehr Aufwand, klar, sorgt aber für Datenhoheit und Sicherheit.
- Die Oberfläche und das Nutzererlebnis kommen WhatsApp sehr nahe und sind daher für KlientInnen zugänglich. Das wird auch dadurch unterstützt, dass die App kostenlos in den App-Stores steht.
- Die App lässt sich mit einem zusätzlichen Passwort sichern. Auch wenn jemand das Smartphone in die Hand bekommt, hat er oder sie dadurch noch keinen Zugriff auf die Nachrichten in Wire.
Threema kann dagegen mit einem eigenen Serverstandort in der Schweiz punkten und so die Kontrolle über die gespeicherten Daten noch besser gewährleisten. Die Nutzung ist, meinem subjektiven Eindruck nach, nicht so angenehm wie bei Wire. Sowohl Wire als auch Threema bieten bezahlte Unternehmensversionen für Unternehmen an. Bildungs- und gemeinnützige Organisationen erhalten bei beiden Messengern deutliche Rabatte.
10 Fragen für die Messenger-Wahl
Vielleicht ist für euch nach meiner Übersicht oben die Entscheidung für einen Messenger bereits gefallen. Wenn dem so ist, bitte ich euch: Prüft eure Entscheidung noch mal sorgfältig.
Denn Stand heute gibt es den perfekten Messenger noch nicht. Welcher für euch, eure Einrichtung oder euer Projekt am besten passt, hängt von einigen Faktoren ab. Daher habe ich zum Schluss die 10 wichtigsten Fragen zusammengestellt, mit denen ich in Projekten mit Teams Messenger – und andere Dienste – auswähle:
- Warum wollen wir via Messenger mit unseren KlientInnen kommunizieren?
- Wofür wollen wir Messenger konkret in der Arbeit mit unseren KlientInnen nutzen
- Wie kommunizieren wir bisher mit unseren KlientInnen?
- Wie sehr sind unsere KlientInnen an WhatsApp gewöhnt?
- Welche Anforderungen stellen unsere Datenschutzbeauftragten an den Messenger?
- Sind unsere KlientInnen technisch und medial fit genug, um mit dem Messenger zu arbeiten?
- Sind wir und unsere KollegInnen technisch und medial fit genug, um mit dem Messenger zu arbeiten?
- Welches Budget haben wir für Anschaffung und Pflege des Messengers?
- Welche Alternativen haben wir zu einem Messenger?
- Was nutzen andere Träger und Projekte in unserem Bereich?
Bei der letzten Frage beziehe ich mich nicht nur auf den Arbeitsbereich, sondern auch auf die räumliche Nähe, als Region oder Stadt. Denn wenn wir in der Sozialen Arbeit Alternativen zu WhatsApp verwenden ist es sinnvoll, die Zahl der Messenger so gering wie möglich zu halten. Idealerweise koordiniert ihr daher mit anderen Trägern oder Einrichtungen in eurem Bereich die Einführung eines neuen Messengers oder schließt euch der Nutzung funktionierender Lösungen an.
Euer Feedback ist gefragt
Mir ist klar, dass es noch dutzende andere Messenger gibt, die ich hier nicht aufgeführt habe. Wenn ihr einen Messenger nutzt, der hier nicht vorkommt, bedeutet das lediglich, dass ich mit diesem Messenger zu wenig Erfahrung habe, vielleicht auch gar keine, um ihn guten Gewissens vorzustellen und zu empfehlen.
Wenn ihr also mit einer anderen Lösung Erfahrung habt: Teilt sie bitte mit mir und allen anderen LeserInnen in den Kommentaren oder schreibt mich, wenn ihr nicht öffentlich kommentieren wollt, direkt an. Das gilt auch, wenn ihr mit einer der vorgestellten Lösungen gute oder schlechte Erfahrungen habt.
Abschließend noch der Hinweis: In diesem Beitrag habe ich mich auf Messenger für die KlientInnen-Kommunikation konzentriert. In einem der kommenden Artikel geht es dann um Kommunikationslösungen für die interne Kommunikation und Kollaboration in Teams und Projekten. Auch hier freue ich mich auf Fragen und Hinweise, gerne auch vorab.
Kommentare zu diesem Artikel
[…] Hintergründe es hat, dass sich WhatsApp nicht eignet findet Ihr in dem Artikel von sozial-pr: “Messenger für die Soziale Arbeit: Meine Übersicht und Erfahrung”Aber um eine grobe Richtung zu geben schlagen wir Messenger wie Slack oder MS Microsoft vor. Mit […]