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Social Media und Soziale Arbeit: Barrierefreiheit ist kein Luxus
Dieser Artikel ist der neunte Teil einer Serie, in der ich die Besonderheiten des Social Media Einsatzes in der Sozialen Arbeit, dem Sozialbereich und für Sozialarbeiter beleuchte.
Gerne hätte ich diesen Text mit einem Satz a la „Immer mehr Träger sozialer Einrichtungen entdecken die Social Media für sich“ begonnen. Doch leider bildet das die Realität nur unzureichend ab. Während in fast allen anderen Branchen die kommunikativen Möglichkeiten der Social Media und generell von Online-Präsenzen immer stärker genutzt werden, hinkt der Sozialbereich leider noch gewaltig hinterher.
Das zeigt sich auch bei den existierenden Webseiten und Angeboten: Barrierefreiheit ist hier meist ein Fremdwort. „Pah, unnötiger Luxus“ werden machen jetzt sagen. Doch genau das ist Barrierefreiheit von Online-Angeboten nicht – und zwar in allen Branchen.
Auch wenn ich meinen Fokus heute auf die Träger sozialer Einrichtungen lege, gelten die folgenden Argumente und Aspekte auch für Unternehmen völlig anderer Branchen. Durch die demografische Entwicklung werden die Kunden aller Unternehmen deutlich älter – und wissen barrierefreie Webseiten daher immer mehr zu schätzen. Doch auch „normale“ Kunden – und schlussendlich die Unternehmen – profitieren von barrierefreien Angeboten.
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Barrierefreiheit – Für soziale Einrichtungen eine Selbstverständlichkeit
Wie so oft verhalten sich Träger sozialer Einrichtungen und Sozialarbeiter auch bei diesem Thema paradox. Politisch haben sie sich lange sehr aktiv für Standards der Barrierefreiheit eingesetzt. Der Bundesverband für körper- und mehrfachbehinderte Menschen e.V. setzt sich noch heute aktiv für die barrierefreie Gestaltung des öffentlichen Raumes ein.
Im Online-Bereich gibt es zwar einige Initiativen, doch diese werden nicht annähernd so aktiv und ernsthaft verfolgt, wie die bisherigen politischen Aktivitäten. Auch in den sozialen Einrichtungen selbst ist eine barrierefreie Architektur und Gestaltung selbstverständlich – die verschiedenen Webseiten sprechen da eine ganz andere Sprache.
Warum das so ist? Eine definitive Antwort habe ich nicht, dennoch spielen hier aus meiner Sicht mehrere Faktoren eine Rolle:
- Viele Träger und Sozialarbeiter stehen dem Medium Internet – so seltsam das klingt – nach wie vor skeptisch gegenüber.
- Daher wird das Internet (noch) nicht als wichtiger Teil des Alltags begriffen und erhält entsprechend wenig Aufmerksamkeit.
- Die offline Aktivitäten und die politische Arbeit binden Ressourcen und Aufmerksamkeit.
- Bei Trägern und Sozialarbeitern fehlt das notwendige Grundlagenwissen, um die Arbeit von Agenturen und/oder Designern zumindest rudimentär beurteilen zu können.
- Webseiten und Online-Präsenzen genießen keine hohe Priorität bei den Trägern.
- Erfahrung bei der Gestaltung von Online-Präsenzen ist oft kaum oder gar nicht vorhanden.
Natürlich kann und wird es im Einzelfall noch weitere Gründe geben, doch das sind aus meiner Sicht und auf der Grundlage meiner Erfahrung die Hauptursachen für nicht barrierefreie Webseiten im Sozialbereich.
Barrierefreiheit – Notwendigkeit und Wettbewerbsvorteil
Doch warum ist Barrierefreiheit überhaupt so wichtig? Bei sozialen Trägern und Einrichtungen ist die Antwort offensichtlich. Ihre Zielgruppe und Klientel besteht oft aus Menschen mit Behinderung, Sinnes- und Wahrnehmungseinschränkungen oder anderen Hemmnissen. Um diese Klienten erreichen zu können, müssen auch die Informationsangebote für sie zugänglich sein.
Wer bei Barrierefreiheit jedoch primär an Design denkt, greift aus meiner Sicht zu kurz. Auch in der Kommunikation muss Barrierefreiheit zu einem leitenden Prinzip werden. Das bedeutet konkret, dass…
- … Sprache und Formulierungen an die Zielgruppe angepasst werden.
- … auch die Begriffe der Klienten in der Kommunikation Verwendung finden.
- … Träger und Sozialarbeiter ihre Klienten und deren Sprachgebrauch kennen müssen.
- … Texte und Angebote auch für Nichtmuttersprachler verständlich sein müssen.
- … auch Texte in anderen Sprachen angeboten werden sollten.
- … Layout und Struktur die Inhalte der Text unterstützen und leicht zugänglich machen.
Träger und Sozialarbeit sollten sich hier keiner Illusion hingeben: Eine solche barrierefreie Kommunikation ist – zumindest initial – mit spürbarem Arbeitsaufwand verbunden. Doch dieser lohnt sich denn erstens kann die Soziale Arbeit nur so ihren Auftrag erfüllen und ihre potentiellen und bestehenden Klienten wirklich erreichen. Und zweitens profitieren schlussendlich alle von barrierefreien Angeboten.
Hier wird das Thema auch für Firmen anderer Branchen interessant. Denn oft zeigt sich, dass barrierefreie Gestaltung für normale Besucher und Leser ohne Einschränkungen deutlich angenehmer und komfortabler nutzbar sind. In anderen Worten: Die viel gerühmte Customer Experience wird angenehmer und Kunden fühlen sich dadurch auf Online-Angeboten wohler. Zu diesem Thema empfehle ich auch die Diskussionsrunde mit Raul Krauthausen auf der republica 2013.
Barrierefreiheit – Kein Luxus, sondern Notwendigkeit
Bleibt mir zum Abschluss nur der Appell an soziale Einrichtungen, Träger, Sozialarbeiter und Firmen anderer Branchen: Befasst Euch ein wenig mit dem Thema Barrierefreiheit und nehmt diesen Punkt bei der Erstellung neuer oder dem Re-Design bestehender Angebote in Euer Pflichtenheft auf.
Eine barrierefreie Gestaltung von Design und Kommunikation ist kein Luxus, sondern Notwendigkeit und wird sich auf Dauer nicht vermeiden lassen. Wer heute schon damit beginnt, kann daraus einen echten Vorteil gegenüber der Konkurrenz machen.
Social Media und Soziale Arbeit: Die Serie
Im Rahmen der Serie sind bisher die folgenden Artikel erschienen:
- Social Media und Soziale Arbeit: Das Tripelmandat als Herausforderung (Teil 1)
- Social Media und Soziale Arbeit: Die Klienten im Fokus (Teil 2)
- Social Media und Soziale Arbeit: Der gesellschaftliche Auftrag (Teil 3)
- Social Media und Soziale Arbeit: Die Träger im Blick (Teil 4)
- Social Media und Soziale Arbeit: Perspektive der Sozialarbeiter (Teil 5)
- Social Media und Soziale Arbeit: Grundlegende Kommunikationsprobleme (Teil 6)
- Social Media und Soziale Arbeit: Vorhandene Kompetenz und Ressourcen nutzen (Teil 7)
- Social Media und Soziale Arbeit: Vorschläge für den Einstieg (Teil 8)