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Social Media und Soziale Arbeit: Die Klienten im Fokus (Teil 2)
Dieser Artikel ist der zweite Teil einer Serie, in der ich die Besonderheiten des Social Media Einsatzes in der Sozialen Arbeit, dem Sozialbereich und für Sozialarbeiter beleuchte.
Im ersten Teil meiner Serie habe ich das Tripelmandat der Sozialen Arbeit beschrieben und dessen Herausforderungen für die Kommunikation im Allgemeinen und den Social Media im Besonderen. Heute gehe ich einen Schritt weiter und beschreibe, wie Social Media bei der Kommunikation mit den Klienten der Sozialen Arbeit helfen können.
Das Spannungsfeld mit den Interessen von Gesellschaft und Träger erwähne ich im Artikel zwar an den passenden Stellen, der Schwerpunkt liegt jedoch klar auf den Klienten. Diese stammen – entgegen vieler Vorurteile – aus allen gesellschaftlichen und sozialen Schichten. Neben den sozialen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Unterschieden muss auch zwischen primär und sekundär Klienten unterschieden werden. Diese Unterscheidung ist für das Verständnis der besonderen Situation wichtig.
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Primär und sekundär Klienten der Sozialen Arbeit
Im Vorfeld ist mir ein Hinweis wichtig: Manche Fachbegriffe der Sozialen Arbeit klingen im ersten Moment kalt und abwertend. Das ist nicht die Absicht und das Vokabular stellt keinesfalls eine Abwertung der Person oder der Menschen dar. Doch wie in jedem Fachbereich haben auch Sozialarbeiter – hier schließe ich wieder alle sozialen Berufe mit ein – ihr eigenes Fachvokabular.
Die primär Klienten sind die direkt betroffenen Menschen, die die Leistung und Unterstützung sozialer Einrichtungen direkt in Empfang nehmen. Sie werden daher auch als Leistungnehmer bezeichnet. Die sekundären Klienten sind Eltern, Angehörige, Partner, Freunde oder – in manchen Fällen – auch Institutionen. In den meisten Fällen erteilen sie den Auftrag für die Träger der Sozialen Arbeit, initiieren den Hilfeprozess und kommen für dessen Kosten auf. Sie werden daher auch als Auftraggeber bezeichnet.
Hohe Hemmschwelle für Klienten
Im Gegensatz zu typischen Dienstleistungsangeboten anderer Branchen und Bereiche hat die Soziale Arbeit mit einem ambivalenten Image und einer hohen Hemmschwelle der Klienten zu kämpfen. Das Image der Sozialen Arbeit in der Gesellschaft ist zweigeteilt: Einerseits werden die Leistungen, Träger und Mitarbeiter für ihre wichtige Arbeit geschätzt und anerkannt – ohne dies jedoch in Ressourcen umzumünzen. Andererseits werden Klienten, die Angebote der Sozialen Arbeit in Anspruch nehmen, stigmatisiert und gesellschaftlich ausgegrenzt.
Diese Stigmatisierung ist für viele Klienten der Hauptgrund, die Angebote der Sozialen Arbeit – selbst bei erkanntem Hilfebedarf – nicht zu nutzen. Zu groß ist die Angst vor Ausgrenzung und negativen sozialen Konsequenzen. Diese sozialen Sanktionen können wie folgt aussehen:
- Hänseleien und offener Spott
- Gerüchte und Lästereien
- Mobbing
- Ausgrenzung
- Mitleid und Benachteiligung
- Benachteiligung im Job
- Rückzug von Freunden und Bekannten
- Verlust sozialer Kontakte und Isolation
Angesichts solcher Konsequenzen ist es mehr als verständlich, dass potentielle Klienten nicht aktiv auf die Angebote der Sozialen Arbeit zugehen und diese von sich aus in Anspruch nehmen.
Social Media als potentieller Kommunikationskanal
Social Media bietet einige Möglichkeiten, Hemmschwellen abzubauen und mit potentiellen Klienten in Kontakt zu treten. Soziale Netzwerke, Chat-Rooms und Foren machen die anonyme oder doch zumindest unpersönliche Kontaktaufnahme möglich. Wie anonyme Telefon-Seelsorge-Hotlines können auch soziale Netzwerke und Chats als Anlaufstelle dienen. Erste Pilot-Projekte in diese Richtung gibt es bereits. Entscheidend ist jedoch, von Anfang an Verhaltensregeln und die Grenzen solcher Angebote deutlich zu machen. Nicht nur aufgrund der strengen deutschen Datenschutzgesetze ist eine individuelle oder gar rechtsverbindliche Beratung durch Sozialarbeit in sozialen Netzwerken nicht möglich.
Dennoch können Social Media Präsenzen sozialer Einrichtungen und Dienste dazu beitragen, dass die entsprechenden Angebote bei den Zielgruppen und potentiellen Klienten bekannt und wahrgenommen werden. Die Vorteile dieser Kommunikationskanäle sind beispielsweise…
- … die niedrigschwellige Ansprache der Klienten.
- … die Nutzung der für die Klienten gewohnten Medien.
- … die Möglichkeit, die Klienten in deren Sprache und mit deren Themen anzusprechen.
- … einfache und niedrigschwellige Kontaktmöglichkeiten.
- … ein unbürokratischer Erstkontakt.
- … die potentiell große Reichweite.
Beachtet bitte, dass ich hier ganz bewusst nicht geringen Aufwand oder niedrige Kosten als Argument und Vorteil genannt habe. Beides trifft aus meiner Sicht im Sozialbereich schlicht nicht zu. Die meisten Sozialarbeiter kennen sich in den Social Media nicht oder nur wenig aus und haben teilweise große Vorbehalte gegenüber den neuen Kommunikationskanälen. Erstaunlicherweise – und das überrascht mich wirklich immer wieder – gilt das auch junge Mitarbeiter der Sozialen Arbeit und viele aktuelle Auszubildende und Studenten dieser Richtung.
Eine Hindernisse und Probleme beim Einsatz der Social Media für die Ansprache der Klienten will ich an dieser Stelle jedoch auch nennen. Die Betrachtung wäre ohne sie aus meiner Sicht einfach nicht vollständig. Zu den möglichen Problemen gehören:
- Die mangelnden Kenntnisse Social Media im Sozialbereich.
- Teilweise enorme Vorurteile der Sozialarbeiter gegen Online-Kommunikationsformen.
- Fehlende oder nicht freigegebene finanzielle Mittel, die für den Aufbau von Reichweite notwendig sind.
- Mangelnde zeitliche und personelle Ressourcen.
- Eine zu konservative und traditionelle Herangehensweise und Einstellung.
- Die Wahl der falschen Sprache und Ausdrucksweise, die an den Klienten vorbeigeht.
- Fehlende Strategie und Durchhaltevermögen.
- Zu wenig Unterstützung durch Leitung und Träger.
- Gegenwind und Widerstand aus Politik und Gesellschaft.
Diese möglichen Probleme müssen natürlich nicht alle eintreten und werden von Fall zu Fall verschieden stark ausgeprägt sein. Und sie sollen keinen Träger, keine Einrichtung und keinen Sozialarbeiter davon abhalten, die Nutzung der Social Media zu forcieren. Im Gegenteil, das Potenzial der Social Media wird im deutschen Sozialbereich aktuell fast nicht genutzt. In den kommenden Jahren wird sich das jedoch ändern müssen.
Im gleichen Maße, in dem die Bedeutung der Social Media für potentielle Klienten und die gesamte Gesellschaft wächst, muss sich auch die Soziale Arbeit mit diesen Kommunikationskanälen beschäftigen. Es wäre absolut wünschenswert, wenn in diesem Bereich einzelne – vor allem kleinere – Träger und Einrichtungen mit gutem Beispiel voran gehen würden. Und ja, natürlich wäre ich daran interessiert, bei einem solchen Projekt beratend und unterstützend mitzuarbeiten. Das versteht sich von selbst.
Kommentare zu diesem Artikel
Hallo Christian,
schau mal in Deine Fusszeile – da steht 2012….
Verfolge Deinen Blog regelmässig. Danke für Deine Beiträge.
Grüße aus dem Allgäu
Michale
Hallo Michael,
danke dir, ist aktualisiert.
Und danke für das Lob.
Gruß,
Christian