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Verschiedene Geschwindigkeiten der Digitalisierung: Nehmen wir alle mit?

„Das waren jetzt aber schon Digitalisierungsbasics, oder? Da geht doch noch viel mehr Tiefe?“ Diese Frage stellt mir eine Dame, die einem meiner Vorträge zum Thema „Digitalisierung der Sozialen Arbeit“ gelauscht hat. Sie hat Recht, in der letzten Stunde habe ich lediglich einen Überblick über die wichtigsten Aspekte gegeben. In die Tiefe bin ich, sowohl aufgrund der Zeit also auch aufgrund des Briefings, nicht gegangen.
Die Dame wirkt unzufrieden, sie hat mehr erwartet. Doch direkt nach ihr kommen noch andere ZuhörerInnen – allesamt übrigens Leitungskräfte im Sozialbereich – die noch mal einzelne Aspekte des Vortrags rekapitulieren wollen. Sie bedanken sich, merken aber an, dass es (zu) viel Input und neues war.
Dieses Feedback zeigt eine der großen und bisher noch zu wenig adressierten Herausforderungen der Digitalisierung: Die verschiedenen Geschwindigkeiten.
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Verschiedene Voraussetzungen führen zu verschiedenen Geschwindigkeiten
In meiner Arbeit mit sozialen Trägern und Einrichtungen begegnen mir, stark vereinfacht natürlich, drei Typen an Sozialarbeitenden, wenn es um Digitalisierung geht:
- Die interessiert Skeptischen – Sie verstehen, dass Digitalisierung und die damit verbundenen Veränderungen nicht komplett zu vermeiden sind. Allerdings liegt ihr Fokus auf den Risiken und Problemen und sie merken, dass ihnen noch zu viel Wissen fehlt, um wirklich damit umgehen zu können.
- Die interessiert Neugierigen – Sie sehen das Thema Digitalisierung als Chance, kennen sich selbst jedoch noch nicht gut genug aus, um die Veränderung aktiv zu gestalten. Doch sie sind bereit und Willens, das zu lernen und zu tun.
- Die digital Affinen – Sie sind bereits stark digital unterwegs, sehen fast nur die Chancen und würden am liebsten heute statt morgen loslegen. Ihnen geht die Veränderung in Einrichtungen oft zu langsam.
Alle drei Typen sind exemplarisch und überspitzt dargestellt. Doch ich treffe sie – teilweise in erstaunlicher Reinform – in der Praxis oft an.
Die Gruppe der absoluten Digitlaisierungsverweigerer fehlt hier übrigens nicht, ich habe sie bewusst weggelassen. Denn natürlich gibt es immer wieder einzelne Personen, die sich komplett quer stellen. Doch sie werden weniger. Und immer mehr Sozialarbeitende wissen: Es geht darum die Veränderung aktiv und zum Wohle der KlientInnen zu gestalten, statt sich ihr zu verschließen.
Menschen gestalten die Digitalisierung: 5 Schritte, um alle mitzunehmen
Die eigentliche Arbeit in Sachen Digitalisierung besteht nicht nur darin, passende Tools und Methoden zu finden. Der größte Teil der Zeit muss in Menschen investiert werden. Genauer gesagt darin, die Menschen bei der Veränderung mitzunehmen, Verständnis zu schaffen und alle einzubeziehen.
Das kann Prozesse verlangsamen und zusätzliche Arbeit bedeuten. Das zeigt sich auch in den fünf Schritten, die ich bei neuen Projekten immer umsetze:
- Zuhören und lernen – Klar kann man einfach mal machen und loslegen. Doch wenn Veränderung und die aktive Gestaltung der Digitalisierung gelingen soll, müssen wir den Sozialarbeitenden aller Bereiche und Hierarchieebenen zuhören. Und zwar wirklich zuhören, ihre Bedenken und Fragen ernst nehmen und diese in den Prozess integrieren.
- Analysieren und verstehen – Zuhören und Gespräche führen ist der eine Teil. Die Analyse der gewonnenen Erkenntnisse und die Frage „Was machen wir damit?“ ist der andere. Es ist entscheidend, die Ängste, Fragen, Hoffnungen und Bedürfnisse der Sozialarbeitenden wirklich zu verstehen und sie bei der Einführung neuer Methoden und Prozesse zu adressieren.
- Ziele definieren und Strategie entwickeln – Wenn die Bedürfnisse und Wünsche klar sind, müssen die Ziele definiert werden. Erst wenn sauber benannt wird, was der Träger, eine Einrichtung, ein Verband oder eine Leitungskraft sich konkret von Veränderungen und dem Prozess der Digitalisierung erwartet, kann eine Strategie entwickelt werden. Die bereits erfassten Bedürfnisse dürfen hier nicht vergessen werden.
- Teilziele und realistische Schritte definieren – Eine Strategie ist gut und wichtig. Doch um sie umzusetzen sind realistische und pragmatische Teilziele und Schritte nötig. Keine noch so gute Strategie kann Einrichtungen von null auf hundert bringen. Skepsis, Vorbehalte und Hürden für die Digitalisierung verschwinden nicht durch eine Strategie. Das gelingt nur durch Arbeit.
- Umsetzen, zuhören, anpassen – Sind Teilziele und realistische Schritte definiert, beginnt die Umsetzung. Während der Arbeit ist es wichtig, weiter zuzuhören, aktiv nach Feedback zu fragen und dieses dann auch ernst zu nehmen. Nur wer sein Ohr an den Menschen hat, die die Strategie umsetzen, kann nötige Veränderungen vornehmen.
Digitalisierung und die mit ihr verbundenen Veränderungen sind unausweichlich. Sie bieten viele Chancen, aber auch viele Risiken. Nicht nur aber eben auch – oder besonders (?) – in der Sozialen Arbeit.
Mir ist wichtig, den Prozess nicht rein technisch und methodisch zu betrachten, sondern die Menschen mitzunehmen. Die verschiedenen Geschwindigkeiten der Digitalisierung machen das anspruchsvoll und ziehen mehr Arbeit nach sich. Doch diese Arbeit entscheidet darüber, ob Digitalisierung gelingt oder scheitert.
Denn schlussendlich sind es die Menschen, die aus Strategien und Konzepten reale Veränderungen machen. Nehmen wir sie mit. Alle.
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Bildnachweis: Viktor Hanacek by picjumbo.com