Digitalisierung der Sozialen Arbeit: Nutzen Sie Kommunikation als Motor

Auf dem Bild sind zwei Hände, die jeweils ein Handy in der Hand halten.

Kommunikation ist oft der Bereich, in dem die Digitalisierung in der Sozialen Arbeit zuerst Einzug hält. Meist geschieht das ungeplant. Und auch wenn es mit Problemen verbunden ist, liegt darin eine Chance. Denn Kommunikation kann Motor der Digitalisierung sein.

Update am Ende des Artikels: Danke zahlreichem Feedback habe ich den Artikel am Ende um die fünf Hürden bei der Digitalisierung in der Sozialen Arbeit ergänzt, auf die meine Leser am häufigsten treffen.

„WhatsApp ist der einzige Kanal der für uns funktioniert.“ – Solche Sätze höre ich beim Thema Kommunikation mit Klienten immer wieder. Dabei spielt es fast keine Rolle, wie groß eine Einrichtung oder ein Träger ist. Und ja, beim Stichwort WhatsApp fallen mir auch eine Menge Aspekte in Sachen Datenschutz ein.

Doch wenn ich dann höre, dass SozialarbeiterInnen WhatsApp oder andere Messenger in ihrer Kommunikation einsetzen, sehe ich auch Chancen. Denn der Kommunikationsbereich ist in vielen Fällen der erste, in dem MitarbeiterInnen im Sozialbereich freiwillig oder aufgrund von Notwendigkeit mit digitalen Tools arbeiten.

Die so beginnende Entwicklung können Sie für die Digitalisierung Ihres Teams, Ihrer Einrichtung oder Ihres Trägers nutzen.

Kommunikation als Motor der Digitalisierung

Eine der größten Hürden der Digitalisierung der Sozialen Arbeit ist meiner Erfahrung nach nicht in den offensichtlichen Aspekten wie beispielsweise fehlender Infrastruktur, Ressourcen oder fehlenden Regelungen zu finden. Die größte Hürde ist die oft anzutreffende Haltung.

Im Normalfall geht sie in die Richtung: „Bisher hat alles geklappt, warum sollten wir etwas ändern und digital arbeiten?“ Im schlechteren – und leider nicht seltenen – Fall geht sie in die Richtung: „Digitalisierung bringt Probleme und Datenschutzrisiken mit sich, die wir allesamt vermeiden sollten. Social Media und Co. sind Gefahren für unsere KlientInnen und die Gesellschaft.“

In beiden Fällen kommen Ansätze der Digitalisierung in Sozialen Einrichtungen nicht weit. Auch motivierte Führungs- und Leitungskräfte scheitern oft an dieser Hürde.

Wenn in der Kommunikation jedoch bereits digitale Kanäle genutzt werden, ist ein erster Schritt gemacht. Damit diese zarten Triebe digitaler Arbeit zu einer Bewegung werden und Veränderung auslösen können, ist die gezielte Unterstützung der Ansätze durch Führungskräfte nötig.

Einer der wichtigsten Gründe dafür: Digitalisierung ist komplex. Der geschätzte Kollege Hendrik Epe beschreibt es so:

Welche Prozesse können wir in Organisation XY digitalisieren? Und brauchen wir überhaupt eine Strategie, die sich mit diesem Thema befasst? Ach ja, und irgendwie geht es auch um die Menschen, oder?

Die hier leicht humoristisch angesprochenen und berührten Fragen müssen meiner Erfahrung nach zuerst auf Leitungsebene diskutiert und beantwortet werden. Ja, motivierte MitarbeiterInnen sind wichtig, doch ohne Unterstützung der Leitung wird deren Begeisterung schnell in Frustration umschlagen und verschwinden.

Um die begonnene digitale Kommunikation zum Motor der Digitalisierung zu machen, helfen folgende Schritte:

  • Gehen Sie das Thema nicht frontal an. Wenn Sie mit der Haltung: „Wir nutzen bereits WhatsApp, dann können wir auch die Dokumentation digital machen“ starten, werden Sie oft auf Unverständnis stoßen. Kommunikation und digitale Arbeitsprozesse sind in der Wahrnehmung vieler Menschen völlig getrennte Themen und Bereiche.
  • Identifizieren Sie Bedarf und Nöte. Die digitale Kommunikation ist meist nicht aus völlig freien Stücken Teil der Arbeit Ihrer MitarbeiterInnen geworden. Der Grund ist oft Leidensdruck oder nachhaltige Forderungen der KlientInnen. Nicht selten besteht die Wahl darin, die KlientInnen entweder per WhatsApp / Messenger oder gar nicht zu erreichen.
  • Wenn der Bedarf klar ist, folgt der Nutzen. Aufoktroyierte Veränderung werden oft abgelehnt oder nur widerwillig angegangen. Sind Nutzen und Sinn einer Veränderung jedoch klar erkennbar, schwindet der Widerstand. Der Nutzen muss dabei direkt ihren MitarbeiterInnen in deren Arbeitsalltag zugute kommen.
  • Meine Strategie: Beginnen Sie die Digitalisierung in dem Bereich, in dem sie den schnellsten und wirkungsvollsten Nutzen bringt. Wenn Ihre MitarbeiterInnen sehen, dass ihre Arbeit tatsächlich einfacher oder leichter wird und sich beispielsweise Dokumentation mit weniger Aufwand durchführen lässt, steigt die Akzeptanz der neuen Methoden und Technik.
  • Gehen Sie bei der Einführung bitte nicht davon aus, dass Ihre MitarbeiterInnen „das schon hinbekommen“. Selbst die fittesten und digital affinsten tun sich schwer mit der autodidaktischen Nutzung neuer Tools und Methoden. Stellen Sie bitte sicher, dass eine ausreichend gute Schulung an und mit den neuen Werkzeugen für alle relevanten MitarbeiterInnen gewährleistet ist.
  • Apropos Schulung: Digitale Arbeitsweisen verändern in der Regel auch Prozesse und oftmals Rahmenbedingungen. Bitte achten Sie darauf, die neuen Prozesse und Vorgehensweisen klar zu dokumentieren und an alle zu kommunizieren. Strukturierte Veränderungen brauchen Vorbereitung und eine aktiv begleitete Einführung.

Nicht alle diese Faktoren sind in allen Sozialen Einrichtungen und Trägern gleich wichtig. Die Liste ist außerdem keinesfalls vollständig, Sie werden garantiert Aspekte finden, die für Sie und Ihre Situation zusätzlich eine Rolle spielen.

Für mich zählt der Grundsatz: Hat digitale Kommunikation – und sei es „nur“ in Form wild gewachsener Messengernutzung – bereits begonnen, kann sie zum Startpunkt und Motor der Digitalisierung Ihrer Einrichtung oder Ihres Trägers werden. Sollten Sie bei diesem Prozess auf Hürden treffen – und die werden ganz sicher kommen – Gehen Sie zurück und prüfen Sie, wie und warum sich digitale Kommunikation bei Ihnen durchsetzen konnte. Die zugrundeliegende Prinzipienkönnen Sie dann für andere Bereiche adaptieren.

Ihre Erfahrung mit Digitalisierung in der Sozialen Arbeit?

Natürlich zeige ich in diesem Artikel nur einen von vielen möglichen Start- und Einstiegspunkten zum Thema Digitalisierung auf. Da das Feld sehr weit ist, interessiert mich Ihre Erfahrung mit Digitalisierung in der Sozialen Arbeit?

Haben Sie den Prozess bereits begonnen oder spielen Sie mit dem Gedanken? Wenn ja, auf welche Punkte achten Sie, was hat für Sie funktioniert, wo sehen Sie Probleme, welche Fragen beschäftigen Sie?

5 Hürden bei der Digitalisierung der Sozialen Arbeit

Als Reaktion auf meinen ursprünglichen Artikel kamen zahlreichen Rückmeldungen, sowohl in der Facebookgruppe „Netzwerk Sozialarbeit und Sozialpädagogik“ als auch via E-Mail und Direktnachrichten. Viele stimmten mir bei dem Ansatz zu, digitale Kommunikation zum Motor der Digitalisierung zu machen.

In den Rückmeldungen haben sich jedoch fünf Hürden herauskristallisiert, mit denen viele in der Praxis der Sozialen Arbeit beim Thema Digitalisierung zu kämpfen haben.

1. Fehlendes Verständnis auf Leitungs- und Führungsebene

Manche Führungs- und Leitungskräfte gehen das Thema Digitalisierung aus Pflichtgefühl, jedoch ohne ernsthaftes Interesse oder Verständnis für die Notwendigkeit an. Das ist ein echtes Problem, da ohne den Rückhalt der Leitung die initiale Lern- und Umstellungsphase nicht bewältigt werden kann. Vom langfristigen Engagement ganz zu schweigen.

Mein Praxistipp: Die Arbeit muss in diesem Fall auf Leitungs- und Führungsebene beginnen. Egal ob durch Gespräche, die Diskussion von Studien, Workshops, Fachkreise oder Besuche in anderen, bereits digital arbeitenden, Einrichtungen. Entscheidend ist, dass Leitungs- und Führungskräfte verstehen, welche Chancen und Risiken mit Digitalisierung verbunden sind, den praktischen Nutzen erkennen und dann bereit sind, die Digitalisierung ihrer Einrichtung ernsthaft anzugehen.

2. Fehlende Infrastruktur für digitales Arbeiten

Soziale Einrichtungen und Träger sind technisch oft nicht auf dem allerneuesten Stand. Das gilt vor allem – aber nicht nur – für mobile Geräte und Smartphones. Das ist eine Hürde, jedoch kein fundamentales Problem.

Mein Praxistipp: Älteres Equipment verlangsamt und bremst Digitalisierung, macht sie jedoch nicht unmöglich. Gehen Sie kleine Schritte an, beginnen Sie beispielsweise damit, bisher auf Papier ablaufende Dokumentationsprozesse digital durchzuführen. Oft sind es kleine, im Alltag jedoch zeitsparende, Abläufe, die sich am einfachsten und sinnvollsten digitalisieren lassen.

3. KollegInnen sind nicht digital affin

Häufig höre ich: „Ich würde ja gerne digital arbeiten, aber meine KollegInnen kommen noch nicht mal mit Microsoft Word klar.“ Ganz wichtig: Das kann und darf nie ein Vorwurf an die MitarbeiterInnen sein. Wer sein Berufsleben mit ganz anderen technischen Voraussetzungen begonnen hat, muss heute im Umgang mit dem Computer nicht übertrieben fit sein.

Mein Praxistipp: Hier haben Soziale Einrichtungen und Träger – die Arbeitgeber – aus meiner Sicht eine Bringschuld und Verantwortung. Wer seine Einrichtungen digital aufstellen will, muss seine MitarbeiterInnen entsprechend schulen und auch Angebote für Grundlagenkurse machen. Oft treffen diese auf Widerstand. Das gilt aber nur, wenn sie einfach so vorgeben werden. Wenn den MitarbeiterInnen jedoch klar ist, wie die in der Schulung erworbenen Fähigkeiten ihre Arbeit erleichtern, schwindet der Widerstand.

4. Zahlreiche Datenschutzbedenken

Ja, das Thema Datenschutz ist im digitalen Bereich so wichtig wie vielleicht nie zuvor. Ich will hier gar nicht auf die umfassenden – und in weiten Teilen sehr sinnvollen – deutschen Datenschutzgesetze eingehen. Stattdessen geht es mir um einen pragmatischen und umsetzbaren Lösungsvorschlag.

Mein Praxistipp: Einrichtungen und Träger sollten sich von Fachleuten – also spezialisierten Juristen – beraten lassen und dann Regelungen finden, die sowohl den gesetzlichen Vorgaben Rechnung tragen als auch praktikabel sind. Wichtig: Beziehen Sie bei diesem Prozess die MitarbeiterInnen ein, die diese Regelungen später jeden Tag umsetzen und anwenden werden. Sie können am besten beurteilen, ob der Aufwand tatsächlich im Arbeitsalltag machbar ist.

Leseempfehlung: Serie “Datenschutz digital” im Caritas Digital Blog

5. Fehlendes Verständnis für den Nutzen digitaler Arbeitsprozesse

Wenn die bisher angesprochenen Hürden angegangen wurden, dürfte das eigentlich kein Problem mehr sein. Eigentlich. Doch oft wird nach dem Motto vorgegangen „Digital ist besser“ – und das stimmt so pauschal eben nicht. Wer um der Digitalisierung willen digitalisiert und nicht nach dem Nutzen fragt, investiert unnötig viel Zeit.

Mein Praxistipp: Prüfen Sie genau, in welchen Arbeitsbereichen und bei welchen Aufgaben digitales Arbeiten tatsächlich eine Verbesserung bietet. Beginnen Sie nur dort, wo der Nutzen – nach entsprechender Information und Schulung – für Ihre MitarbeiterInnen klar und einleuchtend ist. Dann sind die Hürden gering, der Nutzen jedoch groß.

Sind Ihnen diese Hürden schon in der Praxis begegnet? Dann freue ich mich auf Ihren Erfahrungsbericht hier im Blog, den Sozialen Netzwerken oder per Direktnachricht und E-Mail.


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