7 Leitfragen für eine realistische Content Strategie sozialer Organisationen

Ein nachdenklicher Mann mit Bart und Mütze sitzt vor einem Schachbrett. Über seinem Kopf sind mehrere blaue Fragezeichen abgebildet, die seine Unsicherheit oder Verwirrung andeuten.

Eine klare Content Strategie mit strategisch festgelegten Themen, an die sich alle halten, die in der Organisation verstanden wird und die Grundlage jeglicher Kommunikation ist. Mit ihr gelingt die Themenplanung wie von selbst, unpassende Themenvorschläge und -wünsche aus der Organisation können begründet und ohne Diskussion abgelehnt werden. Stress und Hektik kommen kaum auf, denn durch die klare Strategie ist genug Zeit für die rechtzeitige Vorbereitung der wichtigsten Inhalte und die Formate sind klar. Einfach traumhaft!

Leider ist es für viele Kommunikator*innen im Sozialbereich genau das: ein Traum. Vom Wecker mehr oder weniger sanft in die Realität zurückgeholt, sieht das Bild ein wenig anders aus.

Für die Entwicklung einer Content Strategie bleibt wenig Zeit und wenn sie existiert, wird sie in der Organisation kaum zur Kenntnis genommen. Die Themenplanung geht mit ihr zwar leicht von der Hand, doch die geplante Struktur wird durch kurzfristige Themenwünsche und ganz „dringende“ – meist aber nicht wichtige – Anfragen aus verschiedenen Bereichen gestört.

Wird ein Thema abgelehnt, führt das häufig zu langwierigen Diskussionen und manchmal, wenn auch selten, zur Eskalation und nachhaltigen Verstimmungen.

Anders formuliert: Eine Content Strategie in Reinform ist für viele Kommunikator*innen sozialer Organisationen weder mach- noch umsetzbar. Das bedeutet jedoch nicht, dass wir uns als Kommunikationsprofis – und genau das sind wir und so sollten wir uns auch verstehen – von der Idee einer Content Strategie verabschieden sollten.

Wir benötigen lediglich einen realistischen Ansatz und Leitfragen, die uns bei der Entwicklung und Umsetzung helfen. Eine Variante davon biete ich im Folgenden an.

Selbstverständnis und -bewusstsein der Kommunikator*innen als Schlüssel zur Strategie

Wenn ihr euch nur für den Ansatz und die Leitfragen interessiert, überspringt diesen Teil des Artikels gerne und lest direkt bei der nächsten Zwischenüberschrift weiter (über das Inhaltsverzeichnis könnt ihr die Abschnitte auch direkt anklicken). Denn dieser Einschub ist für die Nutzung der Leitfragen nicht nötig und (arg) philosophisch gefärbt. Gerade deshalb ist er mir jedoch sehr wichtig.

Das Bild zeigt eine Pyramide, die verschiedene Ebenen der „Strategischen Kommunikation in sozialen Organisationen“ darstellt. Von unten nach oben sind folgende Stufen aufgeführt: „Selbstverständnis (der sozialen Organisation)“, „Bedeutung der Kommunikation“, „Strategische Kommunikation“, „Content Strategie“ und „Wirksame Kommunikation“. Jede Ebene ist mit einem passenden Symbol versehen, zum Beispiel einem Herz für das Selbstverständnis und einem Auge für die wirksame Kommunikation. Diese Grafik verdeutlicht, wie wichtig eine durchdachte Kommunikationsstrategie für soziale Organisationen ist.
Strategische Kommunikation, die langfristig wichtige Themen erklärt und die Bedeutung sozialer Arbeit betont, hat nicht immer die nötige Priorität.

Kommunikation im Allgemeinen und im digitalen Bereich im Besonderen hat in sozialen Organisationen oft nicht den Stellenwert, den sie eigentlich bräuchte. Das ist teilweise den immer knappen – und mit Blick auf den kommenden Bundeshaushalt voraussichtlich knapper werdenden – Ressourcen geschuldet.

Teilweise ist es aber auch Ausdruck der traditionellen und gewachsenen Strukturen und des Selbstverständnisses sozialer Organisationen. Wohlfahrtsverbände aller Couleur sind hier leider ganz vorne mit dabei.

Kommunikation wird meist nur im Kontext der sozialpolitischen und gesellschaftlichen Lobbyarbeit als wichtig anerkannt. In den letzten Jahren kam, wenn auch noch nicht ausreichend, noch der Bereich des Recruitings und der Fachkräftegewinnung dazu.

Doch strategische Kommunikation, die Entscheidungen erklärt, Aufmerksamkeit für Themen schafft, die nicht akut, aber perspektivisch extrem wichtig sind, die den Menschen und der wichtigen Arbeit der Organisationen eine Bühne gibt und die einfach zeigt, wie wichtig Soziale Arbeit und Wohlfahrt eigentlich sind – diese Kommunikation wird eher als Anhängsel und, etwas überspitzt, lästige Pflichtaufgabe behandelt.

Solange diese Haltung vorherrscht, werden wirklich strategische Kommunikation und eine sinnvolle Content Strategie kaum machbar sein.

Als Kommunikator:innen können wir jahrelang gewachsene Strukturen, Traditionen und Haltungen nicht in wenigen Monaten oder Jahren komplett ändern, doch wir können die Veränderung anstoßen. Denn sie beginnt bei uns und unserem Selbstverständnis.

Statt die Rollen- und Bedeutungszuschreibung der Organisation zu verinnerlichen, sollten wir uns selbstbewusst als Kommunikationsprofis und wichtigen Teil der Organisation verstehen – so wie jeder Referent und jede Referentin zu Fachthemen es auch ist.

Denn auch wenn wir kein soziales oder gar sozialpolitisches Fachgebiet vertreten, ist strategische und wirksame Kommunikation auch ein eigenes Handwerk und ein Fachgebiet, das professionelle Arbeit und Kompetenzen erfordert. Mit diesem etwas philosophischen Impuls im Hinterkopf starten wir in die Entwicklung einer realistischen Content Strategie für soziale Organisationen.

7 Leitfragen für eurer Content Strategie

Als Basis die kurze Erinnerung daran, worum es bei der Content Strategie eigentlich geht. Das Lexikon von onlinemarketing.de definiert den Begriff so:

Der Begriff Content Strategy bezeichnet die strategische Planung, Erstellung und Verbreitung von Inhalten und stellt sicher, dass diese aufeinander abgestimmt sind. Sie legt grundsätzlich fest, welche Inhalte erstellt, wann sie veröffentlicht und wie diese gesteuert werden. Ferner geht es darum, langfristig zu planen, wie sich welche Inhalte über welche Kanäle bestmöglich verbreiten und verwalten lassen.

Mit dieser Definition im Hinterkopf starten wir in die sieben Leitfragen.

1. Was soll unser Content bewirken?

Um diese Frage beantworten zu können, müsst ihr sowohl die übergeordneten Ziele als auch die Kommunikationsziele eurer Organisation kennen. Und ihr braucht Kenntnisse zu den Kanälen, auf denen ihr aktiv sein wollt, doch dazu kommen wir auch bei späteren Fragen noch.

Die Reihenfolge der Fragen ist übrigens bewusst gewählt. Wenn diese erste Frage schon nicht klar beantwortet werden kann, sind die anderen fast schon irrelevant. Denn dann fehlt die Basis für die weitere Arbeit.

2. Welche Stakeholder sollten wir einbeziehen?

Mit „einbeziehen“ ist sowohl die Entwicklung der Content Strategie als auch die Generierung der Themen für den Content gemeint. Wenn die Content Strategie im luftleeren Raum entsteht und Führung, Marketing, Presse und andere wichtige Kolleginnen und Kollegen nicht einbezogen werden, dürfte die Akzeptanz der Strategie gegen null gehen.

Wenn die Strategie gut angenommen wird, ist das nur die halbe Miete. Es müssen auch die Menschen, die euch Themen und Informationen aus den verschiedenen Fachbereichen liefern sollen, informiert sein und dahinterstehen. Die dafür nötige interne Kommunikation kostet Zeit, ist es die Investition aber absolut wert.

3. Welche Werte leiten unsere Kommunikation?

Zugegeben, diese Frage ist auch für die Entwicklung der übergeordneten Kommunikationsstrategie wichtig, doch für die Content Strategie hat sie eine ganz eigene Bedeutung. Hier dient sie als Rahmen dafür, mit welchen Taktiken und Methoden ihr euren Content erstellt.

Ist beispielsweise Clickbait für euch okay, solange es Aufmerksamkeit für wichtige Themen bringt? Wie viel Provokation und Trigger dürfen sein? Wo zieht ihr die Grenze? Wie emotional und aktivierend soll euer Content werden? Diese Fragen solltet ihr für euch und euer Redaktionsteam klären, bevor ihr euch Gedanken über Formate und Kanäle macht.

4. Wen wollen wir erreichen?

Diese Frage hat zwei Teile. Der Erste: Wie wichtig sind die Menschen außerhalb und innerhalb eurer Organisation als Adressatinnen und Adressaten? Könnten ihr für verschiedene Themen und Content Arten benennen, wen ihr primär erreichen wollt?

Der zweite Teil: Welche Bedarfsgruppen wollt ihr erreichen? Ich schreibe hier ganz bewusst nicht von Zielgruppen, denn für soziale Organisationen sind die Bedarfsgruppen aus meiner Sicht viel wichtiger. Was brauchen die Menschen, die ihr erreichen wollt? Wie können eure Inhalte diesen Bedarf bedienen? Soll euer Content in sich nützlich sein oder primär zu den (Hilfs-)Angeboten eurer Organisation führen, die dann die Bedarfe adressieren?

5. Welche Formate können und wollen wir produzieren?

Ihr habt die Frage richtig gelesen: Es geht hier nicht nur um eure Fähigkeiten, sondern auch um eure Präferenzen oder die eurer Organisation. Die hängen vor allem von zwei Bedarfsgruppen ab: Zum einen den Menschen, die ihr außerhalb eurer Organisation mit euren Inhalten erreichen und zu Handlungen bewegen wollt.

Zum anderen den Menschen in eurer Organisation und ihren Mediennutzungsgewohnheiten. Wenn ihr beispielsweise im Redaktionsteam Video präferiert – bei der aktuellen Wirkung absolut verständlich – eurer Kolleginnen und Kollegen sich aber mit Interviews und Statements vor der Kamera schwertun, könnte das ein interessantes Spannungsfeld werden. Vielleicht sind dann Audio-Formate oder clever konzipierte Video-Formate, die primär mit Voice Over arbeiten, eine Option.

Seit einiger Zeit sollte bei dieser Frage auch besprochen werden, ob und wie ihr generative KI-Tools für eure Content Produktion einsetzt. Wenn ihr sie mit klaren Regeln nutzt, solltet ihr auch die Kennzeichnung des Contents diskutieren und vereinbaren.

6. Auf welchen relevanten Kanälen wollen wir vertreten sein?

Bitte achtet hier genau auf die Formulierung der Frage. Die Qualifizierung „relevant“ bedeutet, dass ihr hier nur über Kanäle und Plattformen sprecht, auf denen ihr eure Bedarfsgruppen auch mit sinnvollem Aufwand erreichen könnt. Sind die identifiziert, geht es nicht darum, wo ihr sein solltet, sondern wo ihr sein wollt.

Warum wollen? Weil Kanäle und Plattformen längst nicht mehr neutral sind (und es vermutlich nie waren). Persönlich sehe ich beispielsweise nicht, wie eine werteorientierte Organisation noch auf x (punkt) com (ich verlinke die Plattform bewusst nicht) aktiv sein kann. Klar, bestehende Profile würde ich nicht löschen, der Name sollte gesichert bleiben, aber aktiv die Plattform unterstützen? Nein, danke.

Ich kenne zahlreiche Kolleginnen und Kollegen, die das Gleiche über TikTok sagen und kann ihren Standpunkt komplett nachvollziehen. Die Nutzung von Mastodon oder generell Fediverse Plattformen ist andererseits aus reichweitentechnischer Sicht wenig attraktiv, ideologisch und als Botschaft, meiner Meinung nach, wichtig und wertvoll. Es geht also immer auch um eure Prioritäten und die gewünschte Wirkung.

7. Wonach richten wir unsere Publikationsfrequenz aus?

Auf diese Frage gibt es zahlreiche Antworten. Die einen präferieren Kontinuität und Regelmäßigkeit, die anderen arbeiten komplett anlassbezogen und spontan. Zwischen diesen Polen gibt es jede Menge Spielraum für eigene Lösungen.

Mein persönlicher Ansatz ist eine Kombination aus einem ordentlichen Fokusredaktionsplan, einem guten Team und einem gut gepflegten informellen Redaktionsteam. Das sind Ansätze, die für mich funktionieren. Doch sie sind beileibe nicht die einzig wahren Strategien und Methoden.

Prüft für euch, welche Frequenz ihr realistisch halten könnt, welche am wirksamsten ist und womit ihr eure Ziele und die gewünschte Wirkung erreicht.

Eine gute Content Strategie braucht Lernräume

Euch ist sicherlich aufgefallen, dass sich viele der Fragen nur mit eigener Erfahrung beantworten lassen. Um diese zu sammeln, braucht ihr – das ist vor allem ein Appell an die Führungsebene sozialer Organisationen – Lernräume und Zeit, Ansätze auszuprobieren.

Sei es die passende Frequenz, die wirksamen Formate oder sinnvolle Kanäle: Ihr braucht Testzeiträume, in denen ihr eure strategischen Überlegungen praktisch erproben könnt.

Dafür drei kurze Tipps (zum Ausklappen einfach anklicken):

1. Startet neue Formate als Staffeln oder auf bestimmte Daten hin.

Sorgt also dafür, dass neue Kanäle und Formate von Anfang an temporär begrenzt eingeführt werden. Dann könnt ihr sie, sollte die gewünschte Wirkung ausbleiben, problemlos auslaufen lassen.

2. Aktualisiert eure Content Strategie regelmäßig.

Kanäle und Plattformen verändern sich, eure Bedarfsgruppen verändern sich und ihr, euer Team und eure Organisation verändert euch. Da wäre es doch wenig intelligent, die Content Strategie statisch und unangetastet zu lassen.

3. Achtet immer auf euer Team und die Menschen, die euren Content erstellen.

Die besten Formate und wunderbar erreichten Ziele sind wertlos, wenn sie nur auf Kosten der Energie, Nerven, Gesundheit und Motivation eurer Mitarbeitenden erzielt werden können.

Eure Ziele und die Mission eurer sozialen Organisationen leiten eure Content Strategie. Doch um sie nachhaltig zu erreichen, sollte eure Arbeit menschenfreundlich aufgebaut und angelegt sein. Dann klappt es dauerhaft mit gutem und wirksamen Content.


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